MALTE WOYDT

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Zionismus

“Denn heute und im jetzigen Moment ist die zionistische Bewegung tot. Sie ist teils an dem Siege (Staatsgründung, die ja das Ziel war) und teils an der völlig veränderten Judenfrage nach Hitler eingegangen. Es gibt kein europäisches Judentum mehr und wird es vielleicht nie wieder geben. Aber die Lüge in Israel ist, dass man diese Vergangenheit, der man seine eigene Entstehung verdankt, verleugnet und sich stattdessen eine großartige Herkunft andichtet – biblisch-alttestamentarisch. Gerade damit träumt man sich aus der wirklichen Geschichte heraus und versteht die eigene Realität nicht mehr. Genau so benehmen sich andere Levante-Völker, wie etwa die Griechen, die natürlich mit Homer so viel zu tun haben wie Du und ich und sich als homerische Helden aufspielen und dabei in dem wüstesten balkanischen Chauvinismus und der dazu gehörigen Schlamperei und Korruptheit und Unbildung und Levantivismus sich behaglich einrichten.

Es scheint mir, dass es keine Möglichkeit für eine Renaissance des Zionismus gibt im gegenwärtigen Augenblick. Dazu ist vor allem die Lage in Israel zu prekär; die Fragen der nackten Existenz stehen zu sehr im Vordergrund. Die Frage des Antisemitismus andererseits ist vorläufig außer in den Satelliten-Staaten (und vielleicht in Russland) nicht akut. Und Assimilation in Amerika ist ein so grundsätzlich anders geartetes Phänomen, dass das Begriffs-Arsenal des Zionismus ihm nicht gewachsen ist.”

aus: Hannah Arendt: Brief an Kurt Blumenfeld, 9.1.1957, hier in: Hannah Arendt: Wahrheit gibt es nur zu Zweien. Briefe an die Freunde. München/Zürich: Piper, S.211

04/17

20/04/2017 (23:02) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

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