MALTE WOYDT

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Pflichtgefühl

“Das sogenannte Pflichtgefühl …, wie es von der Reformation bis heute in seinen religiösen und weltlichen Rationalisierungen das gesamte Leben der Menschen durchdringt, ist stark von Feindseligkeit gegen die eigene Person gefärbt. Das ‘Gewissen’ ist ein Sklaventreiber, den der Mensch in sich selbst aufgenommen hat. Es stachelt ihn an zu Wünschen und Zielen, von denen der Betroffene glaubt, es seien seine eigenen, während es sich tatsächlich um die Internalisierung äußerer, gesellschaftlicher Anforderungen handelt. Es treibt ihn barsch und grausam voran, verbietet ihm jedes Vergnügen und alles Glück und macht sein ganzes Leben zu einer Bußübung für eine mysteriöse Sünde. …

Die Feindseligkeit, in der diese moderne Art der Demut und des Pflichtgefühls wurzelt, erklärt auch einen sonst ziemlich unerklärlichen Widerspruch, daß nämlich eine derartige Demut mit der Verachtung anderer Menschen Hand in Hand geht und daß die Selbstgerechtigkeit tatsächlich die Liebe und das Erbarmen verdrängt hat. Bei echter Demut und echtem Pflichtgefühl seinen Mitmenschen gegenüber wäre das unmöglich. Aber diese Selbstdemütigung und dieses das Selbst negierende ‘Gewissen’ bildet nur die eine Seite einer Feindseligkeit, deren andere Seite die Verachtung der anderen und der Haß gegen sie sind.”

aus: Erich Fromm: Die Furcht vor der Freiheit. Frankfurt am Main: Europäische Verlagsanstalt 1980 (US-amerik. Originalausgabe 1947), S. 82.

02/18

01/02/2018 (16:44) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

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