MALTE WOYDT

HOME:    PRIVATHOME:    FRAGEN

ANGE
BOTE
BEL
GIEN
ÜBER
MICH
FRA
GEN
LESE
BUCH
GALE
RIE
PAM
PHLETE
SCHAER
BEEK
GENEA
LOGIE

002) Büroansiedlungen

Welcher Logik folgen Büroansiedlungen in einer Stadt? Ist es möglich, die Entstehung reiner Büroviertel zu vermeiden und stadtweit eine Mischung von Arbeiten, Wohnen und Freizeit sicherzustellen? Das sind Ziele von ARAU in Brüssel – gibt es Beispiele für Großstädte, in denen dies gelingt? Wie kann eine Kommune das erreichen?

02/07/1998 (21:34) Schlagworte: DE,Fragen ::

One Response to “002) Büroansiedlungen”

  1. malte Says:

    schon mal ein Anfang :-))

    1) Ein totaler Funktionenmix verlangt eine völlige Neukonzeption des örtlichen Vekehrsnetzes. Das ÖPNV-Netz ist daraufhin konzipiert, morgens möglichst viele Leute von den Wohnvierteln in die Büro- und Gewerbeviertel zu schaffen und abends vice versa. Wenn nun aber jeder von überall überallhin will… Die Kosten für den Umbau des Verkehrsnetzes müssen mitbedacht werden.

    2) Wohn- und Industriegrundstücke sind viel billiger als Bürogrundstücke. Somit ist es viel profitabler, Wohngrundstücke zu kaufen, sie zu Bürogrundstücken umwandeln zu lassen und dann zu bauen, als ein Bürogebäude auf ein Bürogrundstück zu setzen. Das ist das Grundprinzip der Immobilienspekulation. Deshalb gibt es im Quartier Nord viele leere Bauflächen während in anderen Vierteln gleichzeitig ganze Wohnblocks für Büroneubauten abgerissen werden. Es erfordert eine äußerst effiziente, nicht korrumpierbare Kommunalverwaltung um den internationalen Konsortien Paroli bieten zu können…

    3) Büroneubauten erfordern hohe Investitionen. In Brüssel gibt es praktisch zwei Immobilienmärkte. Den kleinen lokalen mit kleinen Objekten und geringem Kapitalbedarf, und den großen internationalen mit großen Objekten und hohem Kapitaleinsatz.

    4) These: Bürogebäude altern viel schneller als Wohnhäuser. Ein Großteil der Brüsseler Bevölkerung wohnt in Häusern von der Jahrhundetrwende. Vielleicht alle 30 Jahre werden neue Elektro- und Sanitärinstallationen fällig. Mit der rasanten Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien sind schon manche 10 Jahre alten Bürogebäude sanierungsbedürftig. Wer dachte vor 10 Jahren ans Internet? Viele kleinere Immobilienfirmen haben den großen dauerhaften Investitionsbedarf unterschätzt, und bleiben jetzt auf ihren veralteten Gebäuden sitzen. Ist das so?

    5) Ist die Durchmischung ein erstrebenswertes Ziel? Die Brüsseler Regionalregierung hat jetzt einen neuen Flächennutzungsplan (PRAS) vorgelegt, der für jeden Häuserblock die zulässige Quadratmeterzahl für Büros angibt. Undzwar für ausnahmslos alle Wohnviertel von Brüssel. Die Zahlen sind drei- bis fünfmal so hoch wie die bestehenden Büroflächen. Es besteht zu befürchten, daß eine neue Spekulationswelle einsetzt. Es gilt, für jeden interessant gelegenen Häuserblock der erste zu sein, der die Büros erstellt. Wenn die Quote erfüllt ist, ist es zu spät für die Konkurrenz.

    6) Was ist eine “Spitzenlage”? Büros siedeln sich dort an, wo andere Büros sind. Aber nicht immer und überall. Es gibt “gute Adressen”, wie die Avenue Louise oder Avenue de Tervuren, die sich gut auf einer Visitenkarte machen. Sie sind gut erreichbar und strahlen Gediegenheit und Seriösität aus. Gut für Anwaltskanzleien und Consultancies, die ständig auf der Suche nach Kunden sind. Lobbyistenbüros machen wiederum nur Sinn in der Nähe der zu beobachtenden und beinflussenden Institutionen. Also möglichst nahe dem Rat, der Kommission und dem Parlament z.B..

    7) Große Firmen oder Verwaltungen schaffen sich die “gute Adresse” auch schon mal selbst. Sie können von einem Tag auf den anderen das Image einer Adresse umstülpen. Allerdings wollen sie möglichst alle ihre Abteilungen nah bei einander haben. Das vereinfacht die Kommunikation unter den einzelnen Betriebsteilen erheblich. Man braucht sich in so einem Fall nicht schon im vorhinein allzuviele Gedanken über die Kommunikationsstrukturen zu machen. Die Europäische Kommission expandiert unaufhaltsam und widerstrebt dabei jeder rigiden Aufteilung auf mehrere Standorte.

    8) Büros sind Statussymbole. Nicht nur das Gesamtgebäude für die Firma insgesamt, sondern jedes einzelne Büro für den einzelnen Mitarbeiter. Größe, Lage, Austattung eines Büros sollte exakt die Hierarchiestufe des Nutzers wiedergeben. Sonst wird der Betriebsablauf durch endlose Eifersüchteleien gestört. Die Kommission nutzt im Moment – während ihr eigentliches Hauptgebäude asbestsaniert wird – mehr als 50 verschiedene Standorte. Die Ausstattung der Büros variiert auf derselben Hierarchieebene erheblich. Das sorgt für nicht endenwollende Spannungen. Dasselbe gilt auch für die Außenbeziehungen einer Institution. Ein Beamter, der Immobilienhaie überwachen soll, agiert schon deshalb aus einer defensiven Haltung heraus, weil sich sein Büro ärmlicher ausnimmt als die seiner Überwachungsobjekte.