MALTE WOYDT

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Individualismus 2

[EN]

“… Bis ich zufällig diese Worte des jüdischen Philosophen Rabbi Abraham Joshua Heschel lese: ‘Ich würde über Individuen sagen, dass ein Individuum stirbt, wenn es aufhört, überrascht zu sein. Ich bin jeden Morgen aufs Neue überrascht, wenn die Sonne scheint. Wenn ich eine böse Tat sehe, bin ich nicht indifferent. Ich gewöhne mich nicht an die Gewalt, der ich begegne; ich bin immer noch von ihr überrascht. Deshalb bin ich dagegen, deshalb kann ich ihr meine Haltung entgegensetzen. Wir müssen lernen, überrascht zu sein, uns nicht anzupassen.’ …

Ich habe keine Ahnung, wie das gehen soll. Überrascht sein. Sich nicht an Unrecht gewöhnen. Solidarisch bleiben, wachsen. Und trotzdem: Leben. Freude am Leben haben. Den eigenen Weg gehen.”

aus: Kübra Gümüsay: Sprache und Sein. München: btb 2021 (Originalausgabe 2020), S.93/94.

01/23

24/01/2023 (13:39) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Sprachlos

“In den 1960er Jahren war der Begriff ‘sexuelle Belästigung’ in den USA noch nicht weit verbreitet, es existierte keine gesellschaftliche Übereinkunft darüber, was er beschreibt. … Der belästigende Chef war sich keiner Schuld bewusst und profitierte vom fehlenden Verständnis, während die belästigte Angestellte weder das Geschehene benennen noch Maßnahmen ergreifen konnte, um sich künftig zu schützen. Ihre Erfahrung war nicht existent.”

aus: Kübra Gümüsay: Sprache und Sein. München: btb 2021 (Originalausgabe 2020), S.46.

01/23

24/01/2023 (13:27) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Polarisierung

“Im Gegensatz zur … vermehrte[n] Herstellung von Konsens … [sollen] gegensätzliche Auffassungen in zentralen Fragen der Politik … zugespitzt und gerade nicht wegargumentiert oder konsensuell befriedet werden. …

Läuft … die verstärkte Einbeziehung von Expertenwissen … auf eine Bevorzugung der politischen Mitte hinaus … soll eine Strategie der politischen Polarisierung … die … vom demokratischen Prozess Enttäuschten … wieder zur Teilnahme … motivieren. …

Die Verrechtlichung wohlfahrtsstaatlicher Ansprüche … und … die damit verbundene Expansion des Administrativen … [sind] immer wieder als Beleg für die Entdemokratisierung der Demokratie angeführt worden. …

Ohne Zweifel kann man so argumentieren, nur muss man sich darüber im Klaren sein, dass dann jede Art von Wohlfahrtsstaatlichkeit, vom Kindergeld und Mutterschafts- bzw. Vaterschaftsurlaub bis zum Rentenniveau und den Versorgungsbezügen, unter dem Vorbehalt der je vorherrschenden Mehrheiten steht, was längerfristig angelegte Lebensplanung unmöglich macht. Das kollidiert mit den strukturellen Anforderungen der modernen Welt. …

Das agonistische Modell [läuft] darauf hinaus, nach Möglichkeit keine Entscheidungen mit längerfristiger Bindewirkung mehr zu treffen, da dies … die Entscheidungsspielräume in der demokratischen Arena verkleinert.”

aus; Herfried Münkler:  Die Zukunft der Demokratie.  Wien: Brandstätter 2022, S. 107-109 und 124/125.

01/23

24/01/2023 (1:25) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Post-Corona

Angenehm überrascht war ich, was plötzlich alles möglich war mit Corona. Wenn wir so anpassungsfähig sind, schaffen wir das Klima auch… Zu früh gehofft. Es gibt immer noch kein Verbot für Privatflugzeuge, Tourismus ins Weltall wird immer noch nicht als Verbrechen gegen die Menschheit verfolgt. Gehaltswagen nehmen in Belgien noch zu statt ab. Und die Leute jetten wieder fröhlich in der Welt herum als ob nichts wäre. In den Achtzigern las ich Gruhl und den Club of Rome und versuchte seitdem mein Verhalten anzupassen – das war alles für Nichts, weil die anderen es nicht auch tun :-(

Malte

Abb.: Facebook

01/23

12/01/2023 (11:19) Schlagworte: DE,Notizbuch ::

Fußballergehälter

“Wieviele Leute macht Messi glücklich, wieviele der Psychiater von nebenan?”

malte

12/22

19/12/2022 (0:44) Schlagworte: DE,Notizbuch ::

Alternativkultur

“Alternativkultur … meinte meist: schlechte Begleitmusik bei Demos und das frenetische Befeiern von soziokulturellen Stadtteilzentren”

aus: Dirk Peitz: Claudia Roth: Ein Jahr, es geht nicht voran. Zeit online, 8.12.22, im Internet.

12/22

08/12/2022 (19:53) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Fernsehen

“… Überhaupt der Zuschauer! Er weiß genau, womit er es zu tun hat. Vor jeder Programm-Illusion ist er gefeit. Die Richtlinien des Gesetzgebers zerplatzen vor seiner Praxis wie Seifenblasen. Weit davon entfernt, sich manipulieren (erziehen, informieren, bilden, aufklären, mahnen) zu lassen, manipuliert er das Medium, um seine Wünsche durchzusetzen. Wer sich ihnen nicht fügt, wird per Tastendruck mit Liebesentzug bestraft, wer sie erfüllt, durch herrliche Quoten belohnt. …

Das Fernsehen wird primär als eine wohldefinierte Methode zur genußreichen Gehirnwäsche eingesetzt; es dient der individuellen Hygiene, der Selbstmeditation. Das Nullmedium ist die einzige universelle und massenhaft verbreitete Form der Psychotherapie.

Insofern wäre es absurd, seine gesellschaftliche Notwendigkeit in Frage zu stellen. Wer es abschaffen möchte, sollte die Alternativen ins Auge fassen, die zur Verfügung stehen. Hier ist in erster Linie an den Drogenkonsum zu denken, von der Schlaftablette bis zum Koks, vom Alkohol bis zum Betablocker, vom Tranquilizer bis zum Heroin.

Fernsehen statt Chemie ist sicherlich die elegantere Lösung. Wenn man an die sozialen Kosten und an die sogenannten Nebenwirkungen denkt, wird man einräumen müssen, daß der Nutzer des Nullmediums eine weise Wahl getroffen hat – ganz zu schweigen von anderen Lösungsmöglichkeiten wie die Flucht in den Autowahn, die Gewaltkriminalität, die Psychose, den Amoklauf und den Selbstmord.

…  der Wattebausch vor den Augen [kommt] der Transzendentalen Meditation recht nahe. So ließe sich auch die quasi-religiöse Verehrung, die das Nullmedium genießt, zwanglos erklären: Es stellt die technische Annäherung an das Nirwana dar. Der Fernseher ist die buddhistische Maschine.”

aus: Hans Magnus Enzensberger: Die vollkommene Leere. Das Nullmedium Oder Warum alle Klagen über das Fernsehen gegenstandslos sind, DER SPIEGEL 20/1988, 15.05.1988, im Internet.

Abb.: Fernsehen mit dem Buddha, Buddhistisches Netzwerk Bonn, im Internet.

11/22

26/11/2022 (3:27) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Medienkritik

“… Alle diese Theorien sind schwach auf der Brust. Beweise halten ihre Urheber für entbehrlich. Selbst das Minimalkriterium der Plausibilität macht ihnen keinerlei Kopfzerbrechen. So ist es, um nur ein Beispiel zu nennen, bisher niemandem gelungen, uns außerhalb der psychiatrischen Klinik auch nur einen ‘Fernsehteilnehmer‘ vorzuführen, der außerstande wäre, zwischen einem Ehekrach in der laufenden Serie und an seinem Frühstückstisch zu unterscheiden. Die Verfechter der Simulationsthese scheint das nicht zu stören.

Ebenso kurios, aber vielleicht noch folgenschwerer ist eine andere Gemeinsamkeit der genannten Theorien. Der Nutzer der Medien erscheint in ihnen grundsätzlich als wehrloses Opfer, der Veranstalter dagegen als durchtriebener Täter. Diese Opposition wird mit tiefem Ernst und beachtlicher Gründlichkeit durchgehalten: Manipulatoren und Manipulierte, Vorahmer und Nachahmer, Simulanten und Simulierte, Verblöder und Verblödete stehen einander in schöner Symmetrie gegenüber.

Offen muß dabei die Frage bleiben, auf welcher Seite der jeweilige Theoretiker zu suchen ist. Entweder er macht von den Medien keinerlei Gebrauch, dann weiß er nicht, wovon er spricht; oder aber er setzt sich ihnen aus, dann stellt sich die Frage, durch welches Wunder er ihrer Wirkung entgangen ist; denn im Gegensatz zu allen andern ist er moralisch völlig intakt geblieben, kann souverän zwischen Blendwerk und Realität unterscheiden und erfreut sich völliger Immunität gegenüber der Idiotie, die er bei jenen kummervoll konstatiert. Oder sollten – fataler Ausweg aus dem Dilemma – seine Theorien ihrerseits Symptome einer universellen Verblödung sein?”

aus: Hans Magnus Enzensberger: Die vollkommene Leere. Das Nullmedium Oder Warum alle Klagen über das Fernsehen gegenstandslos sind, DER SPIEGEL 20/1988, 15.05.1988, im Internet.

11/22

26/11/2022 (3:21) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Wohlstand 2022

“Richtig kritisch dürfte es nur für Unternehmen werden, die sehr viel Energie brauchen, zugleich stark unter [außereuropäischem] Konkurrenzdruck stehen – und keine hohen Gewinne haben … Und siehe da: So unglücklich sieht es … nur in wenigen Zweigen der Industrie aus.

Die Hersteller von Getränken etwa verbrauchen zwar viel Energie, haben aber hohe Margen – und stehen kaum in Wettbewerb mit Konkurrenten aus Übersee. … Umgekehrt konkurrieren etwa Hersteller von elektrischen Ausrüstungen zwar stark mit außereuropäischen Anbietern – brauchen dafür aber wenig Energie und Gas. Dazwischen liegen Branchen wie die Bekleidungsindustrie, bei denen zwar der Anteil von Gas hoch ist, aber die Energiekosten insgesamt nicht so ins Gewicht fallen. Zudem sind die Margen derzeit stattlich …

Nimmt man all diese Fälle aus … bleiben nur wenige sehr energieintensive Branchen übrig, die tatsächlich akut in Gefahr sind …: vor allem Firmen, die Glas, Keramik und Textilien, sowie mit Abstrichen jene, die Metalle herstellen.

Nun eine Kernschmelze der kompletten Industrie zu beschwören, ist nur absurd. Zumal es im Rest der Wirtschaft seit Jahren schon den Trend gibt, mit immer weniger Energie auszukommen … In Studien sei bislang kein systematischer Zusammenhang zwischen Energiepreisen und Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft festgestellt worden. Historische Beispiele von großen Energiekostenschocks wie etwa in Japan nach Fukushima ließen nicht befürchten, dass dadurch eine Deindustrialisierung ausgelöst wird.

Wenn energieintensive Industrien in einem Land schwinden, dessen erklärtes Ziel es ist, nicht mehr energieintensiv zu sein, um das Klima zu retten, dann ist es [übrigens] ziemlich widersinnig, darüber zu klagen …

Umso absurder wirkt das Gejammer, dass wir gerade jäh unseren Wohlstand verlieren. … Der Export liegt auf Rekordniveau. Die Deutschen bekommen … [schon] gerade spürbar weniger für ihr Geld … Entscheidend [aber] ist, ob das so bleibt. Inzwischen schwinden die Lieferengpässe, was manche Preise schon wieder sinken lässt. Ähnliches gilt für Energie. …

Selbst eine so schnelle Korrektur der zuletzt exzessiv gestiegenen Energiepreise wird nicht reichen, um die Verteuerung der Lebenshaltungskosten aus dem vergangenen Jahr völlig wettzumachen. … [Aber] es wäre [andererseits auch] nicht das erste Mal, dass nach einer spekulationsgetriebenen Preisexplosion die Rohstoffkurse kollabieren. …”

aus: Thomas Fricke: Wohlstand am Ende? Deutschlands irre Lust am eigenen Untergang. Spiuegel Online, 18.11.2022, im Internet.

11/22

19/11/2022 (19:25) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Ökologischer Fußabdruck 2

“… Im Jahr 2004 fliegt Wackernagel nach New York. Er weiß noch, wie er die Treppen zur Metro hinabsteigt und ihn plötzlich von allen Wänden ein Satz anschaut: What on Earth is a carbon footprint? …

Der Mineralölkonzern BP hat in diesen Tagen seine große Kampagne veröffentlicht …: Wie groß ist Ihr Fußabdruck? … Reduzieren Sie Ihren Fußabdruck. Aber finden Sie erst heraus, was das ist. Wenig später veröffentlicht BP auf seiner Website den ersten Rechner, mit dem jeder Mensch seinen eigenen Fußabdruck kalkulieren kann.

… Ein Text wird eingeblendet, dass BP nun saubereres Benzin verkaufe. Dann kommt das Logo von BP mit der Sonnenblume. ‘It’s a start.’ …

20 Jahre nach Beginn der Kampagne ist das Unternehmen immer noch ein fossiler Konzern. Laut einer Studie ist BP allein für 1,5 Prozent der weltweiten Emissionen zwischen 1988 und 2015 verantwortlich. …

Nicht die Konzerne, nicht die Politik müssten sich ändern, sondern nur der Konsum des Einzelnen. … Wis­sen­schaft­le­r:in­nen am MIT haben einmal ausgerechnet, dass selbst ein obdachloser US-Amerikaner ohne Auto einen Fußabdruck von über 8 Tonnen Kohlendioxid im Jahr hätte. In einer fossilen Gesellschaft kann niemand seinen Fußabdruck auf einen Wert senken, der die Welt nachhaltig machen würde.”

aus: Kersten Augustin: Wir haben uns verrechnet. Ökologischer Fußabdruck und Klimakrise, taz online, 15.11.22, im Internet.

11/22

16/11/2022 (0:38) Schlagworte: DE,Lesebuch ::
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