MALTE WOYDT

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Denkpest

“Zehntausende Menschen gehen auf die Straße, vorgeblich gegen Coronamaßnahmen und Impfpflicht. Tatsächlich ist … eine gefährliche Protestbewegung entstanden, ihr kaum verstecktes Ziel ist ein Umsturz. …

Die meiner Einschätzung nach größte Gefahr geht … weniger vom harten Kern aus – sondern von den schätzungsweise mehreren Millionen Sympathisierenden mit … ihrer coronabasierten Akzeptanz von Extremismus und Gewalt. …

Die vielleicht wichtigste Frage ist: Wie konnten sich so viele Menschen radikalisieren …? …

Ich möchte eine These anbieten: Die Extremsituation der Pandemie, schlechte (staatliche, institutionelle) Kommunikation und soziale Medien wie Telegram haben ein neues Massenphänomen hervorgebracht, eine Vorstufe zum umfassenden Verschwörungsglauben: Die Denkpest. …

Denkpest ist, was passiert, wenn ein Mensch sich in den Gedankenirrgärten von Fake News und Verschwörungstheorien verläuft. …

Man muss an keine einzige Verschwörung glauben und kann trotzdem die Denkpest haben. Es reicht aus, wenn man ein derart tiefes Misstrauen entwickelt hat, dass man einfach nichts glaubt. …

Denkpest braucht als Grundlage die Überzeugung, dass mehr oder weniger alle Medien absichtlich oder aus Unwissen falsch berichten. …

Kernbestandteile scheinen einerseits Schwierigkeiten mit der Komplexität und den vielen Grauschattierungen der Welt zu sein – und andererseits die häufige Konfrontation mit widersprüchlichen Informationen. Für einige Menschen ergibt sich daraus ein unangenehmes Dilemma, weil sich für sie kaum gesichert sagen lässt, was sie glauben können und was nicht.

… schließlich bietet sich ein vermeintlicher Ausweg, der sogar noch simpler ist als die einfachen Erklärungen der Verschwörungstheorien: keine Erklärung, sondern einfach ein Abwehrgefühl. In Diskussionen … habe ich Begründungen gehört wie: ‘Ich kann nicht genau sagen, warum der Impfstoff schädlich ist, aber ich habe kein gutes Gefühl‘. Hier zeigt sich vielleicht besonders deutlich der Unterschied zwischen Verschwörungstheorien – die immer Muster oder Erklärungen anbieten – und ihrem Nährboden, der Denkpest. …

Das Generalmisstrauen … ist dann … das Einfallstor für viele weitere Radikalisierungsprozesse wie der Aufbau von Feindbildern, die Manifestation der Opferhaltung oder die prinzipielle Unterstellung der Bösartigkeit, wo eigentlich Fehler oder Unfähigkeit als Erklärung ausreichen. …

Direkt aus den alten, sowjetischen Manipulationshandbüchern des KGB stammt … die Strategie, so viele unterschiedliche, sich widersprechende Informationen zu veröffentlichen, dass das Publikum überfordert ist und nichts mehr glaubt. …”

aus: Sascha Lobo: Radikalisierung der Impfgegner: Die Denkpest geht um, Spiegel online, 5.1.22, im Internet.

01/22

06/01/2022 (2:41) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

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