MALTE WOYDT

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Büchersammler


“Ich ging die Chaussee nach Darmstadt entlang, wechselte von Zeit zu Zeit den schweren Seesack, den ich aus Amerika mitgebracht hatte, von einer Schulter auf die andere. Ich muß mir von dem Deutschland, in das ich kam, keine Vorstellung gemacht haben, sonst hätte ich den Sack mit Nahrungsmitteln vollgestopft, anstatt mit Büchern.

Ich habe zweimal in meinem Leben meine Bücher verloren: das erstemal wurden sie 1933 von der Gestapo beschlagnahmt, das zweitemal 1943 von Bomben zerstört. In den amerikanischen Lagern konnte man Bücher kaufen; ich kaufte mir Jeffersons Life and Selected Writings, die Essays von Emerson, Henry Adams Democracy und die Education. Thorreaus Walden und die Varieties of Religious Experience von William James (die ich aber nie gelesen habe), ein Werk über moderne amerikanische Malerei sowie Romane und Erzählungen von Cabell, O’Henry, Henry James, Sherwood Anderson, Hemingway, Scott Fitzgerald, Faulkner, Wilder, Steinbeck, Erskine Caldwell. Unter all diesen amerikanischen Büchern befand sich nur ein einziges deutsches: Ernst Jüngers Auf den Marmorklippen; ich habe es zwischen zwei Kontinenten hin und her geschleppt.

Der Sack und sein Inhalt waren übrigens im September 1945 das Einzige, was ich besaß. Ich war 31 Jahre alt. Jetzt, dreißig Jahre später, besitze ich eine Bibliothek. Eine Bibliothek, zweihundert Schallplatten, ein Stereogerät, ein Auto, einen Garten, ein Haus. So sind wir. Von Zeit zu Zeit nimmt man uns unsere Bücher und Wohnungen weg, aber emsig beginnen wir, immer wieder von neuem, uns Bücher und Wohnungen anzuschaffen.”

aus: Alfred Andersch: Der Seesack. In: Das Alfred Andersch Lesebuch. Hg. von Gerd Hoffmann, Zürich 1979, S.83.

Abb.: Sidney Hoff, The New Yorker, 7.4.51.

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07/10/2007 (22:49) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

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