MALTE WOYDT

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Miteinander reden

“Man muss mit Russland, China, den großen IT-Firmen, irregulären Milizen und überhaupt mit allen Partnern und Gegnern keineswegs unbedingt und pausenlos reden. Miteinander zu reden hat nur dann Sinn, wenn es minimale Standards des Verhaltens gibt, die beachtet werden, und wenn es ein wenigstens teilweise überlappendes Interesse daran gibt, gemeinsam Lösungen zu erreichen. …

Die westlichen Liberalen, aber auch die Konservativen müssen verstehen, dass Kommunikationsinteressen bei russischen und chinesischen politischen Eliten grundsätzlich nicht auf den geordneten Austausch von Argumenten zielen oder es nicht darum geht, einen Partner zu überzeugen, sondern darum, Sachverhalte zu verzerren und zu verwischen, Zeit zu gewinnen, Begriffe zu redefinieren, nicht legitimierte Macht zu erhalten, oder ganz einfach um Dominanzgehabe. Das allerdings gilt auch für den derzeitigen US-amerikanischen Präsidenten, der insofern hier einzureihen ist. …

Und über die Unterdrückung von Hongkong, die Missachtung von Millionen Menschen in Belarus sowie Vergiftungen und anderen Anschläge auf Regimegegner in und außerhalb von Russland gibt es einfach nichts zu reden mit denen, die glauben, sich solcher Instrumente bedienen zu können. Wir machen uns lächerlich damit, dann auch noch die andere Wange hinzuhalten. Das einschlägige Reden dazu kann dann vor dem Internationalen Strafgerichtshof stattfinden. …

Das schließt konkrete Vereinbarungen zum Beispiel zur Rüstungskontrolle oder kurze Drähte zur Korrektur militärischer Fehlperzeptionen nicht aus. Im Übrigen müssen solche Kontakte auf der Basis strikter Reziprozität gestaltet werden (was etwa in den Wirtschaftsbeziehungen mit China oft nicht der Fall ist). Reden also nur auf der Basis einer realistischen Positionsbestimmung; mit der Stärke, auch nicht zu reden, wenn es keinen Sinn ergibt; und bei klarer Reziprozität. Wertefragen zu diskutieren, ist sinnfrei. …

Wir definieren unsere Interessen und Positionen und Werte klar und deutlich, aber wir zwingen sie nicht auf und verschwenden auch keine Zeit mit Machteliten, die ganz und gar anders unterwegs sind. Auch betreiben wir keinen “Regimewechsel von außen”. Eine vorstellbare Änderung politischer Mehrheiten und Strukturen etwa in Russland ist nicht so unmöglich, wie es oft scheint. Aber das muss im Inneren reifen und Früchte bringen. Allerdings werden wir liberale Positionen und sachliche Informationen auch nicht verschweigen – das müssen autoritäre und repressive Regime aushalten. Erst recht, wenn sie mit Armeen von Trollen und einem großen Einsatz von Staatsmedien auftreten, übrigens auch mit finanziellen Zuwendungen für populistische Bewegungen im Westen und durch verdeckte Einmischungen in westliche Wahlkämpfe …”

aus: Klaus Segbers: Sechs bequeme Irrtümer über Russland, Zeit Online, 1.9.20, im Internet

09/20

01/09/2020 (21:20) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

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