MALTE WOYDT

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Deutsche 2

“Nichts macht den Deutschen so sehr Angst, wie wenn woanders Krieg ist. Sofort wimmelt es nur so von Artikeln über Angstbewältigung, ‘Wie sage ich es meinen Kindern?’ und ‘Jodtabletten oder Klopapier? Was wird zuerst alle?’. Woanders sterben Menschen und in Deutschland beginnt eine Besteuerungsdebatte. Wir hätten in Deutschland längst unabhängige Wind- und Wetterenergien, aber wenn der Deutsche was nicht mag, dann ist das Innovation gepaart mit Intelligenz und Weitsicht. Wir sind schließlich das Land, indem der Begriff Querdenker für Nazis in Vollkornsandalen mit Judenstern auf der Weste verwendet wird.

Erinnern Sie sich noch, als 2020 in einem Lager auf Lesbos 13.000 Menschen interniert waren? (Sie sind es immer noch. Aber die Lager heißen mittlerweile anders.) Die Flüchtlinge froren und hungerten. Damals ging es darum, dass 5000 Frauen und Kinder gerettet werden sollten. Wochenlang wurde gestritten und debattiert. Wissen Sie, wie viele man am Ende holte? 57 Kinder betraten nach einer unendlich widerwärtigen Debatte auf dem Flughafen Hannover deutschen Boden.

Siebenundfünfzig.

Heute begründet die grüne Außenministerin mit Tränen in den Augen die Aufnahme von fast 110.000 Flüchtlingen aus der Ukraine damit, dass es sich um kriegstraumatisierte Kinder und Mütter handele. ‘Dies kann nur der Anfang sein’, sagte sie in Moldau. Und in New York vor den UN begann sie ihre Rede mit einem Kind, das im U-Bahn-Schacht zur Welt kam und Mia heißt, ‘es geht um Mia’. Während Moria brannte und die Kinder im Schlamm ertranken, genehmigten die Grünen Abschiebeflüge nach Afghanistan. Keine paar Wochen später fiel Kabul und Menschen hängten sich vor Verzweiflung an startende Flugzeuge. Die fast personengleiche SPD von damals, die vor zwei Jahren namentlich gegen die Aufnahme der 5000 überwiegend aus Afghanistan, Irak und Syrien stammenden Mütter und Kinder im Bundestag stimmte, will heute am liebsten alle aus der Ukraine retten. Nun heißt es aber, man solle nicht so über Flüchtlinge sprechen. Sie doch um Himmels willen nicht gegeneinander ausspielen. Keine Neiddebatte, keine Vergleichsdebatte anstellen, aber ich finde, doch. Genau so muss man darüber sprechen. Und es der SPD und den Grünen vorhalten. Sie sollen und müssen sich erklären. Denn die Frage ist, was war damals anders als heute? Ist Krieg nicht Krieg und Kinder nicht Kinder? Wir wissen die Antwort. Nichts hat sich geändert. Es sind eben nicht die richtigen Kinder von den richtigen Eltern. Es sind die falschen Menschen.

Keine Lust, weiter darüber zu sprechen. Es ist alles so bigott. Wenn man sieht, zu was Deutschland in der Lage ist, wenn es nur will und es dann in den Vergleich stellt, zu dem, wenn es nicht will …”

aus: Mely Kiyak: Bertolt Heinz Willy Yıldırım, Kiyaks Theater Kolumne, im Internet.

08/23

21/08/2023 (1:57) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

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