MALTE WOYDT

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Kommunismus 1

 

“Es sieht oberflächlich so aus, als ob das Problem der Einheit in Deutschland bald kein Problem mehr zu sein brauchte, soweit es sich um die sozialistische Bewegung handelt. Viele glauben, daß nach den 12 Jahren Faschismus die Arbeiterbewegung jetzt schon wieder dabei sei, sich zu erholen. …

Es geht nicht nur um sogenannte taktische Fragen. … Wir haben alle erlebt, daß es innerhalb der Arbeiterbewegung zum Kampf kommen konnte … . Die Austragung dieser Gegensätze ging bis in die Gefängnisse und KZs und hat nicht Halt gemacht vor der Auslieferung politischer Gegner an die Gestapo. …

Woran die Arbeiterbewegung in den Zwischenkriegsjahren von 1918 bis 1933 gekrankt hat, das waren m.E. vor allem totalitäre Tendenzen innerhalb der Arbeiterbewegung. …

Indem der Sozialismus reduziert wurde auf die Lehre von der Strategie und Taktik des Kampfes um die sogenannte Befreiung der Arbeiterklasse, ging Wesentliches vom Sozialismus verloren. … [Es] war der Bruch mit der Kontinuität zu den freiheitlichen und humanitären Bestrebungen der Vergangenheit und die scharfe Trennung von anderen freiheitlichen und humanitären Bewegungen der Gegenwart. …

Stalin hat in vielen Punkten seinen eigenen Lenin geschrieben, aber was er über die Lehre des Sozialismus und die Rolle der Partei ursprünglich geschrieben hat, das hat seine Wurzeln in den Ideen von Lenin selbst. …

Die dieser Lehre entsprechende Praxis bedeutet für diejenigen, die unten sind und auch für die etwas weiter oben, für alle, die nicht auf der obersten Stufe stehen: Versklavung. …

Wenn wir heute eine ganze Reihe von internationalen Organisationen genau ansehen – ob das nun die neue Gewerkschaftsinternationale ist oder ob das die großen Mammutorganisationen der Jugend aller Länder oder der Studenten oder der Frauen aller Länder sind … [sie sind] nichts anderes … als Organisationen zur Lahmlegung der möglichen Aktivität ihrer einzelnen Mitglieder. …

Der Sozialismus ist nicht nur eine Frage von Eigentumsverhältnissen an den Produktionsmitteln. Derjenige, der Rußland erlebt hat, wird das ganz besonders verstehen können. Sondern der Sozialismus ist vor allem eine Rechtsfrage im weitesten Sinne. …

Und weil viele innerhalb der sozialistischen Bewegung der Meinung sind, diejenigen, die im totalitären Lager stehen, sind nur etwas radikaler und im übrigen würde es uns nichts schaden, wenn wir etwas davon hätten, deswegen wollte ich aufzeigen, daß es sich nicht um radikale, sondern um den Sozialismus und der Demokratie entgegengesetzte Tendenzen handelt, obgleich sie ihren Ursprung in der gleichen Arbeiterbewegung gehabt haben. …

Die Kriminalisierung des politischen Gegners beinhaltet das Fürchterlichste, die völlige Zerstörung jeder fortschrittlichen, jeder politischen, jeder Bewegung überhaupt, die nicht eine Polizeibewegung ist. Und wenn mir einer sagt: Ja, wenn es um die reale Macht geht, ist es unausweichlich, daß man hart vorgehen muß – bin ich bereit, Namen für Namen anzugeben von Leuten, die sich in ihrer Jugendzeit eingesetzt haben und geschlachtet worden sind für eine Sache, für die sie, wenn sie sie begriffen hätten, nicht den Finger gerührt hätten. …

Da wird von Sozialismus geredet, und in Wirklichkeit handelt es sich um Polizeigewalt. Aber einen Mythos zu schaffen, für den Leute aufs Schafott und in die Zuchthäuser gehen, das mag als eine geistige Leistung bewundern wer mag, ich kann es nicht, es ist eine teuflische Sache.”

Herbert Wehner: Vortrag vor der Sozialistischen Arbeitsgemeinschaft, Hamburg, 25.10.1946. In: ders.: Selbstbesinnung und Selbstkritik. Köln: Kiepenheuer & Wisch 1994, S.223-257.

Abb.: Alán Carrasco: History loves paradoxes, 2023

05/10/2007 (0:22) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

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