MALTE WOYDT

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Regeln

“In Deutschland stehen Regeln für Gerechtigkeit, Ordnung und Ehrlichkeit. In Frankreich stehen Regeln für Einschränkung und Unfreiheit. Im europäischen Kontext führt dies zu gegenseitigem Argwohn. Paris bittet häufig um Flexibilität (zum Beispiel um das Schuldenlimit zu überschreiten); in Berlin erfährt man das als Opportunismus. Umgekehrt werden die Deutschen, die selbst finden, dass sie die Regeln streng, aber ehrlich anwenden, der Rigidität und des Starrsinns beschuldigt.

Das Gegenstück zu den Regeln sind die Ereignisse. In Frankreich ist ein Ereignis, auch ein dramatisches, ein Zeichen von Leben und Erneuerung. Für einen französischen politischen Führer à la Sarkozy bietet eine Krise die Gelegenheit, zu zeigen, was er kann; die Presse macht daraus einen Moment der Gemeinschaftlichkeit, eine Seite im ‘Roman der Nation‘. In Deutschland hingegen stehen Ereignisse für eine Unterminierung der Ordnung, für Destabilisierung und Gefahr. Eine Krise löst dort leicht Panik aus. … Die deutsche Öffentlichkeit schätzt Regierungschefs, die Schocks absorbieren und, wie Merkel, ‘auf Sicht fahren’.

Die schwierigste Aufgabe, vor der Deutschland in einer Union steht, die auch weiterhin mit großen Herausforderungen zu kämpfen haben wird, ist also die folgende: Das Land, das sich selbst und seine Partner am liebsten mit Regeln fesselt, wird in der Ereignispolitik vorangehen müssen. Während Paris, das stets davon träumte, Europa voranzutreiben, vorerst ausfällt.”

aus: Luuk van Middelaar: Europas neue Kraft. Schneller, deutscher und nicht mehr so kleinlich – wie die Krisen die Europäische Union verändern, ZEIT online, 3.11.16 [im Internet].

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07/11/2016 (1:38) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

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