MALTE WOYDT

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Aufklärung, Dialektik der

“Das Programm der Aufklärung war die Entzauberung der Welt. Sie wollte die Mythen auflösen und Einbildung durch Wissen stürzen. … Was die Menschen von der Natur lernen wollen, ist, sie anzuwenden, und sie und die Menschen vollends zu beherrschen. Nichts anderes gilt. Rücksichtslos gegen sich selbst hat die Aufklärung noch den letzten Rest ihres eigenen Selbstbewußtseins ausgebrannt. … Die Menschen bezahlen die Vermehrung ihrer Macht mit der Entfremdung von dem, worüber sie die Macht ausüben. … Nur solches Denken ist hart genug, die Mythen zu zerbrechen, das sich selbst Gewalt antut. …

Auf welche Mythen der Widerstand sich immer berufen mag, schon dadurch, daß sie in solchem Gegensatz zu Argumenten werden, bekennen sie sich zum Prinzip der zersetzenden Rationalität, das sie der Aufklärung vorwerfen. Aufklärung ist totalitär. … Ideal ist das System, aus dem alles und jedes folgt. … Aber die Mythen, die der Aufklärung zum Opfer fallen, waren selbst schon deren eigenes Produkt. … Der Mythos wollte berichten, nennen, den Ursprung sagen: damit aber darstellen, festhalten, erklären. … Der Mythos geht in die Aufklärung über und die Natur in bloße Objektivität.

Die Mythologie selbst hat den endlosen Prozeß der Aufklärung ins Spiel gesetzt, in dem mit unausweichlicher Notwendigkeit immer wieder jede bestimmte theoretische Ansicht der vernichtenden Kritik verfällt, nur ein Glaube zu sein, bis selbst noch die Begriffe des Geistes, der Wahrheit, ja der Aufklärung zum animistischen Zauber geworden sind. …

Das Prinzip der schicksalhaftigen Notwendigkeit, an der die Helden des Mythos zugrunde gehen … herrscht … zur Stringenz formaler Logik geläutert, in jedem rationalistischen System … Wie die Mythen schon Aufklärung vollziehen, so verstrickt Aufklärung mit jedem ihrer Schritte tiefer sich in Mythologie. …

Der Furcht wähnt er [der Mensch] ledig zu sein, wenn es nichts Unbekanntes mehr gibt, Das bestimmt die Bahn der Entmythologisierung. … Aufklärung ist die radikal gewordene, mythische Angst. … Wissenschaft, in ihrer neopositivistischen Interpretation, wird zum Ästhetizismus, zum System abgelöster Zeichen, bar jeglicher Intention, die das alte System transzendierte: zu jenem Spiel, als welches die Mathematiker ihre Sache längst schon stolz deklarierten.”

aus: Max Horkheimer / Theodor W. Adorno: Dialektik der Aufklärung. Frankfurt(Main): Fischer 1988 (1944), S.9-24

Abb.: Anna Oppermann: Mythos und Aufklärung, 1985-1992, im Internet.

07/10/2007 (1:01) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

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