MALTE WOYDT

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Apparatschiks

“Die moralische Entrüstung vermag nicht nachzuvollziehen, wie gerade die im Apparat reüssieren können, die – entsprechend charismatischer Auffassung – die Dümmsten, gewöhnlichsten sind, die, denen jeder eigene Wert fehlt. Tatsächlich reüssieren sie nicht, weil sie die Gewöhnlichsten sind, sondern weil sie nichts außerhalb des Apparates besitzen.”

Pierre Bourdieu, zit. nach der Neuen Gesellschaft 19/89, S.957.

Abb.: Pawel Kuczynski: Black Sheep, im Internet.

07/10/2007 (0:57) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Antifaschismus

(NL; FR)

“Unbestreitbar, ich war gegen Hitler – von Anfang an, unbedingt, ohne irgendwelche Vorbehalte psychologischpazifistischer oder diabolisch-paradoxer Art. … Das ist immerhin etwas, ein Argument, welches sich denn doch für meinen moralischen Instinkt und meine politische Urteilsfähigkeit ins Feld führen läßt. Aber es ist nicht genug.

Ja, vielleicht verhält es sich sogar so, daß dieser völlige Mangel an Kontakt mit der Nazi-Mentalität es mir zunächst schwer oder unmöglich machte, eben diese Mentalität wirkungsvoll zu bekämpfen. … Man bekämpft nicht – oder doch nicht mit vollem Einsatz -, was man durchaus verachtet. Lohnt es sich, den offenbaren Unsinn und frechen Aberwitz logisch zu widerlegen? Man begnügt sich mit einem angewiderten Achselzucken.

Diese Nazis, ich verstand sie nicht. Ihre Journale … hätten ebensogut in chinesischer Sprache erscheinen können: ich kapierte kein Wort. … vielleicht wurde in die Mysterien der Nazi-Seele und des Nazi-Jargons nur eingeweiht, wer die Vernunft in sich überwunden, endgültig auf sie verzichtet hatte? …

Mir war beklommen zumute, aber nicht beklommen genug – eben weil ich nicht verstehen wollte, daß die Mehrzahl meiner Mitbürger … längst … die Vernunft in sich ertötet hatte. Dergleichen hält man möglichst lang für ein Ding der Unmöglichkeit. … Mir wollte es nicht in den Kopf, daß die Deutschen Hitlern allen Ernstes für einen großen Mann, ja für den Messias halten könnten.

Der und groß? Man brauchte ihn doch nur anzusehen! … Ich hatte wiederholt die Gelegenheit, diese Physiognomie zu studieren. Einmal aus nächster Nähe, etwa eine halbe Stunde lang, … 1932, [in der] Carlton-Teestube in München. Da saß er, … und ließ sich sein Erdbeertörtchen schmecken. Ich nahm am Nebentisch Platz, kaum einen Meter entfernt. Er verschmauste noch ein Erdbeertörtchen mit Schlagrahm …; dann ein drittes – wenn es nicht schon das vierte war. Ich esse selbst recht gerne süßes Zeug; aber der Anblick seiner halb infantilen, halb raubtierhaften Gefräßigkeit verschlug mir den Appetit. …

Diese Deutschen, ich verstand sie nicht. … Bei aller Bewunderung für die großen Taten des deutschen Geistes, bei aller Sympathie für gewisse Züge und Möglichkeiten des deutschen Charakters: ich brachte keine Begeisterung auf für die Nation, wie sie sich nun einmal entwickelt hatte und allem Anschein nach weiter entwickeln würde. Ich fühlte mich der Nation nicht zugehörig. …

Hatten die Repräsentanten dieses Nationalismus – die Nazis und ihre Freunde – nicht recht, wenn sie Existenzen meiner Art ‘entwurzelt’ nannten? Ich hatte keine Wurzeln, wollte keine haben …”

aus: Klaus Mann: Der Wendepunkt. o.O.: Fischer 1952 (englischsprachige Orig.-Ausg.1942), S.268-272.

Abb.: John Heartfield: Mit seinen Phrasen will er die Welt vergasen, Arbeiter-Illustrierte Zeitung, 1933, im Internet.

07/10/2007 (0:57) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

antideutsch

…… “Die Konservativen haben Deutschland immer als eine Nation verstanden, zu der zumindest bestimmte Linke nicht dazugehören. Diese Linken haben das irgendwann akzeptiert und sich nur noch außerhalb und gegen die Nation definiert. Das war zwar verständlich, aber ein Fehler. Eine Linke mit einem so gestörten Verhältnis zur Nation kann natürlich nie mehrheitsfähig werden. Eine Nation, die man nicht will, kann man nicht führen. Da ist ein Widerspruch im Kopf und ein Widerspruch im Herzen. ”

aus: “Wenn die Nationalhymne erklingt, stehe ich auf. Das reicht” Interview mit Gregor Gysi, taz 22.6.2006, im Internet.

06/06

07/10/2007 (0:56) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Allochtone

(NL)

“Au Pays-Bas, le Bureau Central des Statistiques … [utilise] … le concept ‘allochtone’, qu’il definit comme suit: ‘toute personne qui réside aux Pays-Bas dont un des parents au moins est né à l’étranger’. Le but de ce terme étant d’établir dans quelle mesure les individus d’origine étrangère ont des chances égales. …

La Flandre a repris la définition et l’a ‘élargie’ de façon très lacunaire … :

,les personnes qui se trouvent légalement en Belgique, détentrices ou non de la nationalité belge, et qui remplissent toutes les conditions suivantes:
……………. a) au moins un des parents ou grands-parents est né en dehors de la Belgique;
……………. b) elles se trouvent dans une position désavantagée en raison de leur origine ethnique ou de leur situation socioéconomiquement faible‘. …

Présenter la position désavantagée comme inhérente à l’origine et par définition, exclure la perspective que cette position est la conséquence du racisme ou de la discrimination, nous donne là un instrument qui n’atteint pas son objectif. … La politique et le secteur d’intégration sont restées sur la conclusion que les ‘allochtones’ sont des cas difficiles. …

Le riche Americain, Japonais ou Européen qui travaille et habite ici … n’est pas – ou rarement – défini comme étant ‘allochtone’. Cette étiquette semble en premier lieu réservée au personnes aux racines marocaines, turques et congolaises. …

Ce concept est trop souvent utilisé comme passe-partout pour expliquer des comportements d’individus en terme de culture de l’allochtone’. Le comportement criminel, la surreprésentation dans les statistiques du chômage, … devient un problème culturel (ex. éthique du travail) parce que la personne concernée est ‘allochtone’. mais la discrimintion aussi est souvent réduite à des problémes avec ‘l’allochtone’ lui-même. …

Et, dés lors, il est normal de traiter l’autre ‘autrement’. Résultat: en pratique, la discrimination est légitimée et non combattue.”

aus: Ico Maly / Hatim El Sghiar: Culture allochtone? Sur le sens et le non-sens du concept ‘allochtone’ In: KVS Express, September 2006, S. 5.

08/06

06/10/2007 (23:33) Schlagworte: FR,Lesebuch ::

Allochtoon

(FR)

“Het Nederlandse Centraal Bureau voor de Statistiek … [gebruikt] het concept ‘allochtoon’ …, met als definitie ‘elke persoon die woont in Nederland van wie minstens één van de ouders in het buitenland geboren is’. De bedoeling van de term was te meten of mensen van buitenlandse afkomst gelijke kansen genieten. …

Vlaanderen heeft … de definiëring overgenomen, en op een zeer gebrekkige wijze ‘verruimd’ … :

‘personen die zich legal in België bevinden, ongeacht of zij de Belgische nationaliteit hebben, en die tegelijkertijd aan de volgende voorwaarden voldoen:
……………. a) minstens één van hun ouders of grootouders is geboren buiten België
……………. b) zij bevinden zich in een achterstandspositie vanwege hun etnische afkomst of hun zwakke sociaal-economische situatie’.

… Door de achterstandspositie als eigen aan afkomst voor te stellen en per definitie uit te sluiten dat deze positie het gevolg is van racisme of discriminatie, zitten we met een instrument dat zijn doel niet bereikt. … De politiek en de integratiesector komen niet verder dan de conclusie dat de ‘allochtonen’ moeilijke gevallen zijn. …

De rijke Amerikaan, Japanner, Europeaan die hier werkt en woont … wordt … niet of zelden gedefineerd als ‘allochtoon’. Dat label lijkt in eerste instantie gereserveerd voor mensen met Marokkaanse, Turkse en Congolese roots. …

Al te vaak wordt het concept ingeroepen als een passe-partout om gedragingen van individuen te verklaren in termen van de cultuur van ‘de allochtoon’. Crimineel gedrag, de oververtegenwoordiging in werkloosheidscijfers, … wordt een cultureel fenomeen (vb arbeidsethos) omdat de persoon ‘allochtoon’ is. Maar ook dicriminatie wordt vaak herleid tot problemen met ‘de allochtoon’ zelf. …

Dat leidt ertoe dat het normaal wordt om de ander ‘anders’ te behandelen. Resultaat: in de praktijk wordt discriminatie gelegitimeerd en niet bestreden.”

aus: Ico Maly / Hatim El Sghiar: Allochtone cultuur? Over de zin en onzin van het concept ‘allochtoon’. In: KVS Express, September 2006, S. 4-6.

08/06

06/10/2007 (23:32) Schlagworte: Lesebuch,NL ::

Korruption 1 (deutsche)

“In Deutschland stiehlt man für sich oder für seine Partei, aber die notwendigen öffentlichen Arbeiten werden geleistet, und trotz des Schmiergeldes werden sie sogar gut gemacht. Sozusagen legen auch Diebe Wert auf Effizienz.”

aus: Roberto Giardina: Anleitung, die Deutschen zu lieben. München: Goldmann 1996, S.151 (ital.Orgin.-Ausg. 1994)

Abb.: NZZ, 12.8.23, im Internet.

02/06

05/10/2007 (0:27) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Klarheit

“Jeder Intellektuelle hat eine ganz spezielle Verantwortung. Er hat das Privileg und die Gelegenheit, zu studieren. Dafür schuldet er es seinen Mitmenschen (oder ‘der Gesellschaft’), die Ergebnisse seines Studiums in der einfachsten und klarsten und bescheidensten Form darzustellen. Das Schlimmste – die Sünde gegen den heiligen Geist – ist, wenn die Intellektuellen es versuchen, sich ihren Mitmenschen gegenüber als große Propheten aufzuspielen und sie mit orakelnden Philosophien zu beeindrucken. Wer’s nicht einfach und klar sagen kann, der soll schweigen und weiterarbeiten, bis er’s klar sagen kann.”

Raymund R. Popper: Gegen die großen Worte. In: ders.: Auf der Suche nach einer besseren Welt. 5.Aufl., München: Piper 1990, S.100.

05/10/2007 (0:27) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Symbolische Politik

“Symbolische Politik … mag für komplexe Gesellschaften, die von der Medienkultur zusammengehalten werden, äußerlich funktional sein. Sie ist es aber nicht für die Demokratie. Die Massenloyalität, die sie erzeugt, ist eine Oberfläche. Unter ihr, im Kern der Sache, führt sie zu nichts als Orientierungsverlust, Distanz, Resignation. Das geht, zynisch gesehen, immer mal eine Weile gut. …

Aber wenn das unterlassene Handeln zu Einbrüchen in ihre Lebenswelt führt, die sich nicht mehr wegschminken lassen, wenn überraschende Gefahren und Risiken für Leib und Leben offenbar machen, daß der Orientierungsschein ein Trug war, wenn schließlich Vertrauen gefragt ist, weil Krisen drohen, wird der Preis … fällig. … Politische Kultur in der Demokratie ist nämlich nicht nur ein schöner Schein, der zur Demokratie noch hinzukommen muß, damit das Bild stimmt. Sie ist die Sache selbst. Partizipation, Vertrauen, wahrhaftige Kommunikation, Toleranz, Offenheit, Streit und Konsens.”

aus: Thomas Meyer: Die Inszenierung des Scheins. Frankfurt(Main): Suhrkamp 1992, S.190

05/10/2007 (0:27) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Machtsucht

“Wie jede Sucht, so beschränkt auch die Sucht nach Macht die menschliche Freiheit. Der Machtsüchtige mag, weil dies in der Demokratie üblich ist und sich auszahlt, die Freiheit besingen, er selbst ist unfrei. Sein Verhalten, seine Wahrnehmung, seine Aufmerksamkeit, seine Beziehungen sind determiniert. Begegnet er anderen Menschen, so ist er nicht offen für Begegnung, er taxiert sie sofort danach, ob sie seine Macht, seine Karriere behindern oder fördern können. Die Entscheidung darüber, ob er eine Veranstaltung besucht, sei es ein Rockkonzert, ein Gottesdienst oder ein Fußballspiel, hängt nicht davon ab, was ihm Freude macht, sondern davon, ob es Wählerstimmen bringt oder verscheucht. Ist der Machtsüchtige scharf auf Geld, so nicht, weil er damit sich oder anderen etwas Gutes tun will, sondern weil sich Geld auf vielerlei Weise in Macht verwandeln läßt.

Überzeugungen sind beim Machtsüchtigen nur eine Funktion seines Machtwillens, sie sind nötig und zweckmäßig zum Erwerb und zur Verteidigung von Macht. Daher können sie sich auch von heute auf morgen ändern. …

Niemand gesteht sich und anderen gerne ein, daß er Mittel und Zweck vertauscht, daß die Menschen, die Zweck und Ziel seines Tuns sein sollten, zum Mittel werden, daß die Macht, die ihm erlauben sollte, ihnen zu helfen, sich zum alleinigen Zweck verkehrt. Also braucht er eine Rechtfertigung für andere, auch für sich selbst. Am einfachsten läßt sich die Verkehrung von Mittel und Zweck rechtfertigen, wenn man sich selbst zum Repräsentanten des Gemeinwohls ernennt … Da dies in der politischen Rhetorik längst üblich ist, reicht es völlig aus, daß man seiner eigenen Propaganda schließlich glaubt.”

aus: Erhard Eppler: Privatisierung der politischen Moral? Frankfurt(Main): Suhrkamp 2000, S.13/14.

Abb.: Johan Creten, installation view, Art Basel, 2017, im Internet.

01/03

05/10/2007 (0:26) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Kapitalismus 1

“Ich glaube, daß es diese grundsätzliche Kritik am Kapitalismus … bereits gibt. … Aber das Problem besteht darin, daß diese Kritik nur dann weiterführt, wenn ihr eine Perspektive, ein Projekt zugeordnet ist. Das war ja das Faszinosum der Marxistischen Theorie, daß sie nicht nur den Kapitalismus kritisierte, sondern gleichzeitig ein Projekt formuliert … Heute fehlt der Kritik ein solches Projekt.

Selbst Liberale wie Dahrendorf sagen mittlerweile, die Globalisierung sei eine Gefährdung für die Demokratie. Sie führe zum Autoritarismus, weil die Konkurrenz dazu führe, daß immer die niedrigsten sozialen und ökologischen Standards sich durchsetzen, und das seien diejenigen, die mit autoritären Mitteln erzwungen werden. Also würde sich der Autoritarismus auch in den westlichen Demokratien durchsetzen. Immer vorausgesetzt: Wir tun nichts dagegen. Das ist eine Kapitalismuskritik – allerdings eine ohne Projekt. Und das ist zu wenig.” …

“Man braucht keine neuen Arenen, man braucht neue Analysen, neue Argumente und genauere Vorstellungen davon, was ich als ‘kritisches Projekt’ bezeichnet habe.”

Elmar Altvater, Johano Strasser, Tilman Fichter: Kapitalismus ohne Alternative? Gespräch. Die Neue Gesellschaft / Frankfurter Hefte 1/1996, S.23/24

Abb.: Streetart Athen, 2022

05/10/2007 (0:26) Schlagworte: DE,Lesebuch ::
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