MALTE WOYDT

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Verwaltungsmassenmord

“Zwar ist sich alle Welt nachgerade darüber einig, daß das, was in Auschwitz geschah, beispiellos ist; aber die Kategorien, mit denen dies Beispiellose nun politisch und juristisch erfaßbar ist, sind immer noch gänzlich ungeklärt. Denn der hierfür neuerdings eingeführte Begriff des Völkermords (Genocide) ist zwar in gewissem Sinne zutreffend, aber nicht ausreichend, schon weil Völkermorde nicht beispiellos sind – sie waren in der Antike an der Tagesordnung, und die Jahrhunderte der Kolonisation und des Imperialismus kennen mehr oder minder geglückte Versuche in dieser Richtung zur Genüge. Der aus dem englischen Imperialismus stammende Ausdruck ‘Verwaltungsmassenmord’ (administrative massacre), den die Engländer bewußt ablehnten als ein Mittel, die Herrschaft über Indien aufrechtzuerhalten, dürfte der Sache erheblich angemessener sein …

Wir hörten die Beteuerungen der Verteidigung, Eichmann sei doch nur ein ‘winziges Rädchen’ im Getriebe der Endlösung gewesen …

… die ganze Rad-Theorie [ist] juristisch belanglos, und … daher [ist es] ganz gleichgültig …, in welcher Größenordnung man das ‘Rädchen’ Eichmann unterbringen wollte. Das Gericht gab in seiner Urteilsfindung natürlich zu, daß ein solches Verbrechen nur von einer Riesenbürokratie mit staatlichen Mitteln ausgeführt werden kann; sofern es aber ein Verbrechen bleibt – und dies ist ja die Voraussetzung für die Gerichtsverhandlung -, werden alle Räder und Rädchen im Getriebe vor Gericht automatisch wieder in Täter, also in Menschen zurückverwandelt.”

aus: Hannah Arendt: Eichmann in Jerusalem, München: Piper 1964 (US-Amerikan. Orig.-Ausg. 1963), S.16/17.

05/17

14/05/2017 (23:22) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

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