MALTE WOYDT

HOME:    PRIVATHOME:    LESE- UND NOTIZBUCH

ANGE
BOTE
BEL
GIEN
ÜBER
MICH
FRA
GEN
LESE
BUCH
GALE
RIE
PAM
PHLETE
SCHAER
BEEK
GENEA
LOGIE

Präventionsparadox

“… Zu diesen emotionalen Seltsamkeiten gehört auch das, was wir neuerdings das „Präventionsparadox“ nennen. Wenn richtige Maßnahmen ­wirken, erwecken sie den Eindruck, unnötig ­gewesen zu sein. Wenn weniger Menschen sterben als befürchtet, führt das dann skurrilerweise nicht zu Aufatmen, sondern zu Wut auf jene, die die Maßnahmen verhängten, die sich so scheinbar als übertrieben herausstellten. Als wäre es eine ­empörungswürdige und nicht erfreuliche Tatsache, dass weniger Leute sterben als befürchtet. …”

aus: Robert Misik: Corona und der Sensationalismus: Verrücktheiten allüberall. taz, 3.5.20, im Internet.

Abb.: Lisa Boivin: Discovering Gratitude as the World Falls Around You, 2020, Te Tuhi Tamaki Makaurau, Auckland, im Internet.

05/20

03/05/2020 (11:26) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Satire

“… irgendwann ist ja auch alles gesagt. Die Themen, mit denen sich Satire auseinandersetzt, sind seit Aristophanes schließlich immer dieselben. Es geht um Krieg und Frieden, Arm und Reich, Macht und Ohnmacht, Moral und Religion, Ausländer und Korruption. Das einzig neue Thema seit 2.500 Jahren ist die Atomenergie – weil sie der Menschheit die Möglichkeit gibt, sich selbst auszurotten. Alles andere wiederholt sich.

aus: Henning Venske über den Blick auf Politik: „Mauern sind zum Einreißen da“, Interview durch Jan Freitag, taz online, 21.4.20, im Internet

04/20

21/04/2020 (23:13) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Occupy 2

Warum verschwand Occupy dann so schnell wieder?

Weil sich die Bewegung nicht entschließen konnte, den institutionellen Weg einzuschlagen, also ein Bündnis mit progressiven Kräften innerhalb des politischen Systems einzugehen. Das hätte den vielen Unzufriedenen außerhalb der Gemeinschaft eine politische Alternative bieten können. Aber im Anarchismus, dem Occupy ideologisch entstammt, ist die Angst vor einer Vereinnahmung durch ‘das System’ zu groß, deswegen ist die Bewegung wieder untergegangen.

Die Aktivisten kommunizierten auch nur sehr vage Botschaften.

Das kam noch erschwerend hinzu. Und für Sympathisanten war auch die Zögerlichkeit entnervend, mit der bei den langatmigen Versammlungen Positionen bezogen, Entschlüsse gefasst und Aktionen angeleiert wurden. Beispielsweise sollte bei jedem Beitrag wiederholt werden, was der Vorredner gesagt hatte. Das sollte zur Konsensbildung beitragen – endete aber meist in einem großen Durcheinander. Es wirkte oft so, als sei der Weg das Ziel. Occupy agierte selbstbezüglich und erinnerte am Ende eher an eine selbstzufriedene Sekte als an eine aufmerksame soziale Bewegung. Und als sich auch noch Chaoten andockten, schwand die anfangs sehr beachtliche Sympathie. …

Einige der Initiatoren, etwa Micah White, haben Occupy später als ‘Misserfolg’ bezeichnet. Sehen Sie das auch so?

Scheitern ist immer relativ. Nehmen Sie Bernie Sanders oder Jeremy Corbyn – linker Populismus besteht noch immer. Außerdem haben sich die Millennials und die Generation Z politisiert. Ich würde nicht so weit gehen wie ein Joseph Stiglitz, der die Epoche des Neoliberalismus für beendet erklärt, aber die Marktblödigkeit hat schon abgenommen.

Das Problem ist nur, dass es unterm Strich den Rechtspopulisten besser gelungen ist, den sozialen Klassenkonflikt für sich zu nutzen. Vor allem mit der Angstmache vor einem angeblichen Bevölkerungsaustausch durch Masseneinwanderung. Wie Marine Le Pen propagieren sie einen ‘nationalen Sozialismus’, der rassistisch und autoritär ist.

Mit pauschalem Misstrauen in die Eliten hat Occupy solchen Tendenzen übrigens Vorschub geleistet. Kritik an der finanzwirtschaftlichen Globalisierung darf nie zu Pauschalkritik an multilateraler Politik führen oder gar zu Antisemitismus, wie es aber wieder verstärkt geschieht.”

aus: Claus Leggewie: “Erinnerte am Ende eher an eine selbstzufriedene Sekte”. Interview durch Thomas Ramge, brandeins 02/20, im Internet Externer link-symbol

04/20

05/04/2020 (12:03) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Ökodiktatur

“Die Geschwindigkeit der postfossilen Transformation hängt vom Kräfteverhältnis in der Gesellschaft ab. Oder du kommst in eine autoritäre Diktaturvorstellung. Das ist das Autoritäre an Fridays for Future, dass sie sagen: Die Wissenschaft hat gesagt! Du kannst nicht Politik von der Wissenschaft ableiten, weil die Wissenschaft die gesellschaftlichen Widersprüche nicht kennt. …

Wenn du eine radikale Reform machst, musst du gesellschaftlich durchdringen. Du kannst dir jetzt eine ökologische Technokratie ausdenken, die dein Wissenschaftler begründet, in dem er sagt: Das muss so sein. Dann bist du der ökologische Technokrat, der niemanden in der Gesellschaft mitnimmt. …

Wenn jetzt eine neue, eine ökologische Mehrheit einfach sagt: Die Wissenschaft sagt, so ist das und wir machen das jetzt, denn wir haben ein Recht. Dann hast du eine gesellschaftliche Opposition von sechzig Prozent. Dann kannst du es nicht machen. Oder du wirst wieder Maoist und sagst: Wir machen das wie Mao Tse-tung.”

aus: Daniel Cohn-Bendit: Was kommt nach Corona, Herr Cohn-Bendit? Interview zum 75. Geburtstag durch Peter Unfried. taz futurzwei 10.3.19, im Internet

Abb.: Thomas Horschhorn: Too Too Much Much, 2010, Detailansicht, im Internet.

04/20

05/04/2020 (11:42) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Schmeichelei

“Zwar gibt es auch eine verderbliche Schmeichelei, mit der Verräter und Zyniker arme Mitmenschen der Vernichtung entgegentreiben, aber … [eine andere] Schmeichelei entspringt aus der Großmut und der Reinheit der Gesinnung und ist der Tugend ähnlicher als ihr Gegenteil, als die eigensinnige Härte … und die verstockte Sturheit. Sie richtet die Niedergedrückten wieder auf, tröstet die Traurigen, stachelt die Trägen an, weckt die Stumpfsinnigen auf, bringt den Kranken Linderung, besänftigt die Aufgebrachten, schließt Liebesverbindungen und erhält sie auf die Dauer. Sie lockt die Jugend zum Lernen, erheitert die Greise und ermahnt unter der Maske des Lobes die Mächtigen, ohne sie zu beleidigen. Kurz, sie erreicht, daß jeder sich besonders gefällt, sich selbst über alles liebt, und das ist doch die höchste Gunst des Glückes. …

Ich behaupte, am schlimmsten ist, sich nicht täuschen zu lassen. Denn wirklich töricht sind jene, die glauben, daß das Glück des Menschen in den Dingen selbst beruhe; im Gegenteil, von den Meinungen über die Dinge hängt es ab.”

aus: Erasmus von Rotterdam: Das Lob der Torheit. Übersetzt und herausgegeben von Uwe Schultz. Frankfurt(Main): Insel 1979 (Lateinisches Original 1511), S. 76/77

03/20

12/03/2020 (17:39) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Wahnsinn

“Also gibt es zwei Arten von Wahnsinn. Die eine kommt aus der Tiefe der Unterwelt, gesandt von den unheilverkündenden Furien, die ihre Schlangen freilassen; ins Herz der Menschen dringen dann Kriegsbegeisterung, unersättliche Geldgier, unwürdiges und sündhaftes Liebesverlangen, Elternmord, Blutschande, Gotteslästerung oder ähnlich abscheuliche Verbrechen, und das schuldbeladene Gewissen wird gemartert durch grauenvolle Angstvorstellungen und entsetzliche Schreckgespenster. Aber es gibt noch eine andere Art Wahnsinn, die von jener ersten ganz verschieden ist … und die alle Menschen sich nur wünschen können. Sie bewirkt eine überaus angenehme Täuschung der Vernunft, so daß der Geist des Menschen von allen beängstigenden Sorgen befreit und zugleich mit vielerlei Vergnügen erfrischt wird. …

Nur wenn jemand nur nicht nur von seinen Sinnen, sondern auch von seiner Verstandeskraft im Stich gelassen wird, und zwar fortgesetzt und ohne Unterbrechung … dann erst ist das Urteil gerechtfertigt, er sei vom Wahnsinn bedroht. Wenn dieser Wahn – wie es meistens geschieht – sich aber in Vergnügen verwandelt, so bereitet er nicht geringe Freude denen, die von ihm ergriffen sind, wie auch jenen, die nur zuschauen, selbst aber noch nicht wahnsinnig sind. …

Prüft bitte, ob ihr unter all den Votivtafeln, die nicht nur sämtliche Wände, sondern auch das Gewölbe mancher Kirchen bedecken, je eine gesehen habt, die jemand geweiht hätte, weil er der Torheit entrann oder auch nur ein Gran gescheiter geworden wäre? … – Kein einziger … dankt für Erlösung von der Torheit. Sie ist so reizvoll für die Sterblichen, daß sie von allem anderen befreit werden wollen, nur nicht von der Torheit.”

aus: Erasmus von Rotterdam: Das Lob der Torheit. Übersetzt und herausgegeben von Uwe Schultz. Frankfurt(Main): Insel 1979 (Lateinisches Original 1511), S.64/65, 71/72

03/20

 

12/03/2020 (17:26) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Zusammenhalt

“… Alle Ermutigungsparolen (“Zusammenhalten!”, “Zusammenstehen!”), die nach einem Massaker gesprochen werden, [sind] vergebliche Versuche die Realität umzudeuten. Man kann gegen Terror nicht zusammenstehen, er ist ein Symptom der gesellschaftlichen Spaltung. Da ist doch bereits etwas auseinandergegangen. Und die, die zusammenstehen, stehen innerhalb ihres Lagers zusammen. Nach dem ersten Anschlag, vielleicht, rückt man für immer zusammen oder nie. Das in Hanau war aber der soundsovielte Vorfall.

Auf die Gewalt der Straße müsste man mit staatlicher Gewalt antworten. Sonst wird das nie aufhören. Es kann nur noch darum gehen, das zu beenden, zu ersticken. Und nicht daraus zu lernen oder – noch grotesker – eine Lehre daraus zu ziehen. Die Gewalt des Staates muss so massiv und angsteinflößend sein, dass alle Sympathisanten, die der Ideologie des Attentäters heimlich zustimmen, sich vor Angst in die Hose scheißen. Gewaltbereite, bewaffnete Nazis verstehen nur diese Sprache. Und ihre jämmerlichen Wähler ebenso. Man kann Terror nicht mit Beileidsbekundungen und Hashtags und Mahnwachen in Schach halten. Trauer und Solidarität ersetzen keine politischen Handlungen. Politik wird mit Politik gemacht. …”

aus: Mely Kiyak: Die Leere nach den Schüssen, ZEIT Online, 26.2.20, im Internet.

02/20

26/02/2020 (16:24) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Zuckerberg

“… Wir müssen uns Mark Zuckerberg also als einen Wirt vorstellen, in dessen Restaurant sich Nazis, Rechtsextreme und Verschwörungsideologen treffen, andere Gäste bedrohen und beleidigen, sich im Restaurant zu Straftaten verabreden, der aber, statt sich seines Hausrechts zu bedienen und die Idioten einfach rauszuschmeißen, mehr Regulierung fordert. Ach so, wenn die Polizei in seiner Wirtschaft vorbeikommt und fragt, wer sich da denn letzte Woche bei ihm getroffen habe, gibt es dann auch immer nur die Antwort ‘Bitte schicken Sie uns ein internationales Rechtshilfeersuchen’. Auch die Gäste, die bei ihm beleidigt und bedroht worden sind, bekommen nichts anderes zu hören. …

Statt gegen Lügenpropaganda auf seinen Plattformen vorzugehen, traf sich Zuckerberg zusammen mit dem Facebook-Aufsichtsrat Peter Thiel mit Trump zu einem geheimen Dinner im Weißen Haus. Worum es ging, will er nicht sagen, es liegt aber die Vermutung nahe, dass Trump Facebook regulatorisch in Ruhe lässt, wenn Facebook dafür im Gegenzug weiter zulässt, dass Lügen als politische Werbung geschaltet werden dürfen. …”

aus: Christopher Lauer: Wie Zuckerberg von Hass und Lügen profitiert. FAZ Online, 25.2.20, im Internet

02/20

26/02/2020 (14:01) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Mitte 2

“Die Bezeichnungen ‘links‘, ‘Mitte‘, ‘rechts‘ sind historisch erklärbar, aber trotzdem schädlich, denn sie verleiten Menschen zu falschen Annahmen über politische Weltbilder, über ‘gemäßigte’ und ‘extreme’ Haltungen: Als wäre “links” schlicht das Gegenstück zu ‘rechts’ (und umgekehrt) und “Mitte” eine Art vernünftig-versöhnliches Zwischending. …

Die Glückwünsche, die dann an Kemmerich gerichtet wurden, als der die Wahl annahm, zu der ihm die AfD verholfen hatte, enthielten auffällig oft den Begriff Mitte, wie ein Mantra. … Aber was für eine Mitte soll das sein, die von Faschisten unterstützt wird? …

‘Mitte’ ist, ähnlich wie ‘bürgerlich‘, nicht mehr als eine hohle Phrase. Was sollte etwa die ‘Mitte’ sein zwischen der ‘linken’ Annahme, dass alle Menschen dieselben Rechte und Freiheiten haben sollten, dass Diskriminierung und Privilegien aufgrund von Herkunft, Geschlecht, Sexualität und so weiter abgeschafft gehören (‘links’ in Anführungszeichen, weil das das Grundgesetz ist) und der rechten Annahme, dass – zum Beispiel – Leute mit bestimmter ethnischer Herkunft dümmer und unkultivierter sind als andere und Homosexualität ‘unnatürlich’ ist? Es gibt dazwischen keine Mitte. …”

aus: Margarete Stokowski: Mythos Mitte. Falsche Rhetorik nach Thüringen. Der Spiegel Online 10.02.2020, im Internet.

Abb.: Wahlkampfplakat 2024.

02/20

12/02/2020 (1:06) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Wandel

“Für die oberen Schichten bedeutet Wandel, dass du dich weiterentwickelst oder ein Start-up gründest. Für die Arbeiterklasse heißt Wandel meist, dass du gefeuert wirst.”

aus: Robert Misik: Die falschen Freunde der einfachen Leute. Berlin: Suihrkamp 2019, S.67

12/19

 

19/12/2019 (10:48) Schlagworte: DE,Lesebuch ::
« Previous PageNext Page »