MALTE WOYDT

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BRD

“Wer (wie ich gerade) das Kürzel BRD verwendet, gibt rund um Bonn zu Zweifeln an seiner Loyalität Anlaß – Steht er noch auf dem Boden der Demokratie?
Für den jüngeren Leser in Deutschland: auch wenn es ihm ungewöhnlich vorkommen mag, das war nicht immer so. In einer ‘Bezeichnungsrichtlinie’ (!) aus dem Jahre 1958 führte sogar das Bundesverteidigungsministerium unter F.J. Strauß neben dem Kürzel SBZ durchaus auch die Bezeichnung BRD noch als ‘amtlich zulässig’ auf. Seitdem wir die Sowjetische Besatzungszone (SBZ). wie andere Nationen es tun, DDR nennen müssen, wenn auch ungern ‘Deutsche Demokratische Republik”, wollen wir nicht mehr wie die DDR mit einem Kürzel benannt sein. 1974 beschlossen die Regierungschefs von Bund und Ländern, die Abkürzung BRD aus dem amtlichen Sprachgebrauch zu tilgen. Seither benutzt, wer dennoch nur ‘BRD’ sagt, wahrscheinlich eine Formel der kommunistischen Agitation …

Es muß eine Aktualität hinter dem Umstand stecken, daß Fehlgriffe in der Namensgebung einem Bürger der Bundesrepublik ‘Nachteile’ bringen können, und sei es nur eine gelegentliche Diffamierung in der Presse. Es muß wohl der Zusammenhang und Zusammenhalt in der westdeutschen Bevölkerung erneut bedroht sein. Aus bloßen Worten und Wortmarken wird ein Fetisch nur gemacht, wenn ein Land sich in Integrationskrisen windet.”

Peter Brückner: Versuch, uns und anderen die Bundesrepublik zu erklären. Berlin: Wagenbach 1978, S. 7, 8, 33

empfohlen bekam ich dieses seit langem vergriffene Buch von Thommi Herwerth, der viel zu früh verstarb.

04/05

07/10/2007 (22:34) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Bildung

“Bildung besteht nicht in dem Besitz bestimmter Kenntnisse, Kenntnisse sind bloßes Material für die Bildung des Geistes, wie Nährstoffe für den Leib, sondern in der Aneignung und Verwertung von Kenntnissen zur Ausgestaltung des inneren Menschen und zur wirksamen Bestätigung in der geistigen und natürlichen Lebensumgebung. Nicht, was man weiß, sondern was man mit seinem Wissen anzufangen weiß, ist entscheidend für die Bildung einer Persönlichkeit.

Diese Fähigkeit, das Wissen als werbendes Kapital zu verwenden, es als Kraft zur Lösung von Aufgaben, theoretischen und praktischen zu gebrauchen, wird nur durch freie, Betätigung der intellektuellen Kräfte am Stoff gewonnen. An welchem Stoff diese Betätigung stattfindet, ob an Sprachen und Literatur oder an der Natur und der Mathematik, darauf kommt es nicht so sehr an: jede lebendige, aus dem Interesse an der Sache kommende und daher den ganzen Menschen erfassende Betätigung geistiger Kräfte wirkt bildend auf sein ganzes Wesen.

Und umgekehrt: ohne die spontane, aus eigener Teilnahme an der Sache fließende Arbeit ist jeder Besitz von Kenntnissen tote Last; das Edelste wird gemein, wenn es als bloßes Examenswissen eingedrillt und mitgeschleppt wird. Nur ein grober didaktischer Materialismus kann dies verkennen, kann den Wert der persönlichen Bildung des einzelnen nach dem Wert oder nach seiner Schätzung des Wertes der Bildungsstoffe bestimmen.”

Friedrich Paulsen: Das Prinzip der Gleichwertigkeit der drei Formen der höheren Schule. In: ders.: Ausgewählte pädagogische Abhandlungen. Paderborn 1960: S.82

07/10/2007 (22:34) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Besonnenheit

“Die Besonnenheit (temperantia) … ist die Zügelung des an sich Ungezügelten. Sie ist das innere Engagement, das doch vor dem Handeln zurückschreckt und im Beobachten eine Erfüllung sucht, die dieses im Grunde nicht geben kann. …
Das engagierte Beobachten beruht … auf einer inneren Beteiligung, die der der Handelnden an Intensität nicht nachsteht. … Das engagierte Beobachten ist in besonderem Masse der Wahrheit verpflichtet. Hier liegt der Unterschied zu einer bloss engagierten Literatur, die überzeugen, ja missionieren will. Hier liegt auch der Unterschied zum entschiedenen Handeln, das noch im günstigsten Fall bereit ist, Einwände und Bedenken im Namen des angestrebten Ziels beiseitezuwischen. Die Wahrheit entzieht sich für immer unserem Zugriff, aber die Suche nach ihr und der Glaube an ihre Einzigartigkeit sind … für den engagierten Beobachter bestimmend. Weder Moden noch Interessen dürfen von der Wahrheit ablenken. …
Trotz aller Erläuterungen bleibt das engagierte Beobachten ein Paradox, ein Widerspruch in sich selbst. Infolgedessen finden die, die es pflegen, sich regelmässig zwischen den Stühlen. Von den Wissenschaftlern, mit denen sie häufig Institutionen, meistens Universitäten, teilen, werden sie für Politiker gehalten, von den Politikern dagegen für ziemlich ‘akademisch’.”

aus: Ralf Dahrendorf: Versuchungen der Unfreiheit. Die Intellektuellen in Zeiten der Prüfung. München: Beck 2006, S.67-70.

Abb.: Obey Giant: Golden Compass.

11/06

07/10/2007 (22:32) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Aufklärung, Dialektik der

“Das Programm der Aufklärung war die Entzauberung der Welt. Sie wollte die Mythen auflösen und Einbildung durch Wissen stürzen. … Was die Menschen von der Natur lernen wollen, ist, sie anzuwenden, und sie und die Menschen vollends zu beherrschen. Nichts anderes gilt. Rücksichtslos gegen sich selbst hat die Aufklärung noch den letzten Rest ihres eigenen Selbstbewußtseins ausgebrannt. … Die Menschen bezahlen die Vermehrung ihrer Macht mit der Entfremdung von dem, worüber sie die Macht ausüben. … Nur solches Denken ist hart genug, die Mythen zu zerbrechen, das sich selbst Gewalt antut. …

Auf welche Mythen der Widerstand sich immer berufen mag, schon dadurch, daß sie in solchem Gegensatz zu Argumenten werden, bekennen sie sich zum Prinzip der zersetzenden Rationalität, das sie der Aufklärung vorwerfen. Aufklärung ist totalitär. … Ideal ist das System, aus dem alles und jedes folgt. … Aber die Mythen, die der Aufklärung zum Opfer fallen, waren selbst schon deren eigenes Produkt. … Der Mythos wollte berichten, nennen, den Ursprung sagen: damit aber darstellen, festhalten, erklären. … Der Mythos geht in die Aufklärung über und die Natur in bloße Objektivität.

Die Mythologie selbst hat den endlosen Prozeß der Aufklärung ins Spiel gesetzt, in dem mit unausweichlicher Notwendigkeit immer wieder jede bestimmte theoretische Ansicht der vernichtenden Kritik verfällt, nur ein Glaube zu sein, bis selbst noch die Begriffe des Geistes, der Wahrheit, ja der Aufklärung zum animistischen Zauber geworden sind. …

Das Prinzip der schicksalhaftigen Notwendigkeit, an der die Helden des Mythos zugrunde gehen … herrscht … zur Stringenz formaler Logik geläutert, in jedem rationalistischen System … Wie die Mythen schon Aufklärung vollziehen, so verstrickt Aufklärung mit jedem ihrer Schritte tiefer sich in Mythologie. …

Der Furcht wähnt er [der Mensch] ledig zu sein, wenn es nichts Unbekanntes mehr gibt, Das bestimmt die Bahn der Entmythologisierung. … Aufklärung ist die radikal gewordene, mythische Angst. … Wissenschaft, in ihrer neopositivistischen Interpretation, wird zum Ästhetizismus, zum System abgelöster Zeichen, bar jeglicher Intention, die das alte System transzendierte: zu jenem Spiel, als welches die Mathematiker ihre Sache längst schon stolz deklarierten.”

aus: Max Horkheimer / Theodor W. Adorno: Dialektik der Aufklärung. Frankfurt(Main): Fischer 1988 (1944), S.9-24

Abb.: Anna Oppermann: Mythos und Aufklärung, 1985-1992, im Internet.

07/10/2007 (1:01) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Beifall von der falschen Seite

“daran, wieviel Ansichten von der Realität möglich seien, bleibt von vorneherein kein Zweifel. Nur bis zwei darf gezählt werden. … [Wer ständig im feindlichen Feld nach Anzeichen des Beifalls Ausschau hält, macht seine Feinde zu Schiedsrichtern des eigenen Redens] …

Die Angst vor dem ‘Beifall von der falschen Seite’ ist … ein Charakteristikum totalitären Denkens. Kritik, die ihr Konzessionen macht, ist durch keinen Hinweis auf taktische Überlegungen zu rechtfertigen; sie ist hinfällig.”

Hans Magnus Enzensberger: Die Sprache des SPIEGEL, In: Hans Mayer:: Dt. Literaturkritik, Bd.4, Frankfurt(Main) 1983: S.569/570.

05/93

07/10/2007 (1:00) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Ausbeutung

“Wir wußten immer genau, wer die Bösewichter waren, die wie Maden im Speck von der Arbeit anderer lebten: Unternehmer, Regierungen, Beamte, höhere Angestellte und so weiter. Und diejenigen, die nach unserer Überzeugung alles produzierten und um die Früchte ihrer Arbeit betrogen wurden, wußten ebenso genau, wer außer den Unternehmern und ‘denen da oben’ noch von ihrer Arbeit, von ihren ‘Steuergeldern’ lebte: die Studenten, die Langhaarigen, die Punks, die Hausbesetzer und so weiter.”

Peter Gäng: Von einigen Widersprüchen des staatsfernen Lebens. In: Schmid, Thomas: Entstaatlichung. Neue Perspektiven auf das Gemeinwesen. Berlin: Wagenbach 1988, S.81.

03/04

07/10/2007 (0:59) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Apparatschiks

“Die moralische Entrüstung vermag nicht nachzuvollziehen, wie gerade die im Apparat reüssieren können, die – entsprechend charismatischer Auffassung – die Dümmsten, gewöhnlichsten sind, die, denen jeder eigene Wert fehlt. Tatsächlich reüssieren sie nicht, weil sie die Gewöhnlichsten sind, sondern weil sie nichts außerhalb des Apparates besitzen.”

Pierre Bourdieu, zit. nach der Neuen Gesellschaft 19/89, S.957.

Abb.: Pawel Kuczynski: Black Sheep, im Internet.

07/10/2007 (0:57) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Antifaschismus 1

(NL; FR)

“Unbestreitbar, ich war gegen Hitler – von Anfang an, unbedingt, ohne irgendwelche Vorbehalte psychologischpazifistischer oder diabolisch-paradoxer Art. … Das ist immerhin etwas, ein Argument, welches sich denn doch für meinen moralischen Instinkt und meine politische Urteilsfähigkeit ins Feld führen läßt. Aber es ist nicht genug.

Ja, vielleicht verhält es sich sogar so, daß dieser völlige Mangel an Kontakt mit der Nazi-Mentalität es mir zunächst schwer oder unmöglich machte, eben diese Mentalität wirkungsvoll zu bekämpfen. … Man bekämpft nicht – oder doch nicht mit vollem Einsatz -, was man durchaus verachtet. Lohnt es sich, den offenbaren Unsinn und frechen Aberwitz logisch zu widerlegen? Man begnügt sich mit einem angewiderten Achselzucken.

Diese Nazis, ich verstand sie nicht. Ihre Journale … hätten ebensogut in chinesischer Sprache erscheinen können: ich kapierte kein Wort. … vielleicht wurde in die Mysterien der Nazi-Seele und des Nazi-Jargons nur eingeweiht, wer die Vernunft in sich überwunden, endgültig auf sie verzichtet hatte? …

Mir war beklommen zumute, aber nicht beklommen genug – eben weil ich nicht verstehen wollte, daß die Mehrzahl meiner Mitbürger … längst … die Vernunft in sich ertötet hatte. Dergleichen hält man möglichst lang für ein Ding der Unmöglichkeit. … Mir wollte es nicht in den Kopf, daß die Deutschen Hitlern allen Ernstes für einen großen Mann, ja für den Messias halten könnten.

Der und groß? Man brauchte ihn doch nur anzusehen! … Ich hatte wiederholt die Gelegenheit, diese Physiognomie zu studieren. Einmal aus nächster Nähe, etwa eine halbe Stunde lang, … 1932, [in der] Carlton-Teestube in München. Da saß er, … und ließ sich sein Erdbeertörtchen schmecken. Ich nahm am Nebentisch Platz, kaum einen Meter entfernt. Er verschmauste noch ein Erdbeertörtchen mit Schlagrahm …; dann ein drittes – wenn es nicht schon das vierte war. Ich esse selbst recht gerne süßes Zeug; aber der Anblick seiner halb infantilen, halb raubtierhaften Gefräßigkeit verschlug mir den Appetit. …

Diese Deutschen, ich verstand sie nicht. … Bei aller Bewunderung für die großen Taten des deutschen Geistes, bei aller Sympathie für gewisse Züge und Möglichkeiten des deutschen Charakters: ich brachte keine Begeisterung auf für die Nation, wie sie sich nun einmal entwickelt hatte und allem Anschein nach weiter entwickeln würde. Ich fühlte mich der Nation nicht zugehörig. …

Hatten die Repräsentanten dieses Nationalismus – die Nazis und ihre Freunde – nicht recht, wenn sie Existenzen meiner Art ‘entwurzelt’ nannten? Ich hatte keine Wurzeln, wollte keine haben …”

aus: Klaus Mann: Der Wendepunkt. o.O.: Fischer 1952 (englischsprachige Orig.-Ausg.1942), S.268-272.

Abb.: John Heartfield: Mit seinen Phrasen will er die Welt vergasen, Arbeiter-Illustrierte Zeitung, 1933, im Internet.

07/10/2007 (0:57) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

antideutsch

…… “Die Konservativen haben Deutschland immer als eine Nation verstanden, zu der zumindest bestimmte Linke nicht dazugehören. Diese Linken haben das irgendwann akzeptiert und sich nur noch außerhalb und gegen die Nation definiert. Das war zwar verständlich, aber ein Fehler. Eine Linke mit einem so gestörten Verhältnis zur Nation kann natürlich nie mehrheitsfähig werden. Eine Nation, die man nicht will, kann man nicht führen. Da ist ein Widerspruch im Kopf und ein Widerspruch im Herzen. ”

aus: “Wenn die Nationalhymne erklingt, stehe ich auf. Das reicht” Interview mit Gregor Gysi, taz 22.6.2006, im Internet.

06/06

07/10/2007 (0:56) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Korruption 1 (deutsche)

“In Deutschland stiehlt man für sich oder für seine Partei, aber die notwendigen öffentlichen Arbeiten werden geleistet, und trotz des Schmiergeldes werden sie sogar gut gemacht. Sozusagen legen auch Diebe Wert auf Effizienz.”

aus: Roberto Giardina: Anleitung, die Deutschen zu lieben. München: Goldmann 1996, S.151 (ital.Orgin.-Ausg. 1994)

Abb.: NZZ, 12.8.23, im Internet.

02/06

05/10/2007 (0:27) Schlagworte: DE,Lesebuch ::
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