MALTE WOYDT

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Verschwörungstheorien

“… Wenig überraschend gibt es daher sogar eine Verschwörungstheorie über den Ursprung des Wortes ‘Verschwörungstheorie’. Der Begriff stammt ursprünglich aus dem 19. Jahrhundert. In seiner modernen Bedeutung wird er erstmals kurz nach dem Zweiten Weltkrieg von Karl Popper in ‘Die offene Gesellschaft und ihre Feinde’ verwendet. Die Verschwörungstheoretiker*innen aber behaupten, dass der Begriff in den Sechzigerjahren von der CIA erfunden wurde, um Kritiker an der offiziellen Version des Kennedy-Attentats mundtot zu machen. …

Vor allem aber erfasst ‘Verschwörungstheorie’ am besten, wie diese Gedankengebäude funktionieren. Verschwörungstheorien haben mit Alltags- oder wissenschaftlichen Theorien auf einer formalen Ebene viel gemeinsam, wie der Philosoph Karl Hepfer in seinem lesenswerten Buch zum Thema zeigt. Wie andere Theorien auch versuchen Verschwörungstheorien, auf der Grundlage miteinander verknüpfter Annahmen (die Analytische Philosophie spricht hier von ‘Sätzen’) Erkenntnisse über die Welt zu gewinnen. Verschwörungstheorien nehmen an, dass nichts durch Zufall geschieht, nichts ist, wie es scheint, und alles miteinander verbunden ist. Dass Erkenntnisse, die auf Grundlage dieser Annahmen generiert werden, in der Regel falsch sind (es gibt halt den Zufall!) ändert nichts am Theoriestatus.

Immer wieder wird behauptet, dass Verschwörungstheorien anders als wissenschaftliche Theorien nicht falsifiziert werden können. Auch das stimmt nicht. Im Internet gibt es mittlerweile viele sehr gute Debunking-Seiten, die verschwörungstheoretische Behauptungen widerlegen. Das Problem ist nur, dass überzeugte Verschwörungstheoretiker*innen die Falsifikation nicht akzeptieren. Aber selbst das gibt es auch in der Wissenschaft und im Alltag. Ein marxistisch argumentierender Wirtschaftswissenschaftler wird zum Beispiel niemals akzeptieren, dass eine neoliberale Kollegin ihn und seine Prämissen widerlegt hat. Er wird darauf bestehen, dass sie von falschen Voraussetzungen ausgeht und verkennt, wie die Dinge wirklich sind. …

Der Begriff ‘Verschwörungstheorie’ erfasst das Phänomen, um das es geht, also sehr gut – und deutlich besser als alle vorgeschlagenen Alternativen, die zum Oberbegriff nicht taugen …

Der Begriff ‘Verschwörungstheorie’ hat also zwei große Vorteile. Erstens eignet er sich als Oberbegriff, weil er alle konspirationistischen Phänomene erfasst – 280 Seiten lange Verschwörungserzählungen ebenso wie in 280 Zeichen artikulierte Verschwörungsgerüchte und jahrhundertealte Verschwörungsmythen ebenso wie ganz neue Verdächtigungen. Zweitens betont er trotz aller Stigmatisierung, die auch ihm inhärent ist, dass es Verschwörungstheoretiker*innen wie Nichtverschwörungstheoretiker*innen darum geht, die Welt zu verstehen. Während immer nur ‘die Anderen’ Ideologien haben und Erzählungen glauben, erkennt ‘Verschwörungstheorie’ an, dass wir alle Theorien über die Welt entwickeln. Dass die Theorien der einen die Welt treffend erklären, die der anderen nicht, bleibt davon unberührt.”

aus: Michael Butter: Verschwörungstheorien: Nennt sie beim Namen!, Zeit Online, 28.12.20, im Internet

Abb.: Erik Pauhrizi: Conspiracy Theories, 2014, indoartnow, im Internet.

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28/12/2020 (19:56) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Revolution 4

“‘I always wanted successes in the near term, and with experience I’ve come to the conclusion that real successes need 25 years,’ he says. ‘Take a country like Ukraine: it had a number of revolutions, and they each failed, and now you had a free and fair election,’ he says …

In the 2004 Ukrainian election, exit polls conducted by a Soros foundation showed a very different result to the official count, and Viktor Yanukovych, who had ‘won’ the first vote, was forced to concede. He came back to power in 2010, before being toppled amid violent clashes in 2014.

These revolutions, Soros says, were inevitable but not sufficient. ‘Dictators, if they are successful, always go too far, because there are no checks and balances to stop them… The point comes where people who have been cowed into obedience rebel, and there’s a revolution. Revolutions generally don’t succeed. You need to develop institutions, which is what open societies are all about.’ In the past, Putin has blamed Soros for sparking unrest – something he denies, but in a qualified manner that would hardly reassure the Russian president. ‘It was the people of the country who rebelled,’ he says. ‘And I enabled them to do it by various steps that the foundations took, like reliable exit polls.’ It is this approach that has so exercised his critics: few authoritarians would feel threatened by the distribution of mosquito nets or emergency food supplies; but the funding of critical media, legal aid NGOs and minority rights advocacy groups is a different matter.”

aus: George Soros: ‘Brexit hurts both sides – my money was used to educate the British public’ Interviewed durch Shaun Walker, The Guardian online, 2.11.19, im Internet

Abb.: Mounir Fatmi: The lost springs, 2011, im Internet.

 

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07/12/2020 (0:03) Schlagworte: EN,Lesebuch ::