MALTE WOYDT

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Diplocratie

“Sous plus d’un angle, la critique du populisme aujourd’hui est comparable à la critique du socialisme, voici maintenant plus qu’un siècle. … Dans les deux cas, on considérait que la populace était mal informée et induite en erreur par ces chefs de file. Dans les deux cas, on craignait que ces hordes récalcitrantes entrainassent le déclin de la civilisation. Dans les deux cas, on voulait domestiquer ce peuple réfractaire en le ‘moralisant’, comme on disait alors, ou en ‘communiquant mieux’, comme on dit aujourd’hui. …

Dire que la ‘démocratie des diplômés‘, ou la diplocratie pour employer un néologisme, est une forme de despotisme éclairé, est peut-être exagéré. Mais cette diplocratie est au fond un signe avant-coureur de la post-démocratie. … Comme l’écrivait le politicien et philosophe français André Bellon: ‘… alors que, en démocratie, les citoyens jugent les responsables, la post-démocratie permet … aux responsables de juger les citoyens.’ …

Le populisme que nous constatatons aujourd’hui est la seule réaction, bien que souvent imparfaite, du peuple souverain contre la croissance d’une telle post-démocratie. Plutôt que de se hâter de l’injurier ou de l’ignorer, il nous faut prendre au sérieux ce qui en est la base: les frictions sur la diplocratie et le fossé entre les cultures ne sont rien d’autre que la rancune au sujet de l’égalité promise qui ne s’est pas produite. … le populisme est toujours porteur d’une promesse: la volonté des couches peu éduquées d’une participation durable à l’établissement de la démocratie. …

Quant à la nouvelle ligne de faille sociale entre les plus et les moins éduqués, elle vient de naître et nous sommes à peine conscients de l’envergure du problème. … Les individus les plus éduqués sont peu imprégnés de la gravité de la diplocratie et du fossé culturel qui les sépare des moins éduqués d’entre nous.”

aus: David Van Reybrouck: Le populisme en tant que démocratie. In: Ah! 12, Mai 2011, S.67-74. auch auf der Webseite des Autors

08/13

20/08/2013 (19:30) Schlagworte: FR,Lesebuch ::

Libérté et Libération

“Entre le fort et le faible, entre le riche et le pauvre, entre le maître et le serviteur, c’est la liberté qui opprimé, c’est a loi qui affranchit.”

Père Lacordaire (1848), zitiert bei: Etienne Vermeersch: Rationailité, éthique et flamingantisme de gauche. In: Ah! 12, Mai 2011, S.38.

08/13

20/08/2013 (18:51) Schlagworte: FR,Lesebuch ::

Witwe

“Merkwürdig, daß der Witwenstand, ganz abgesehen von dem persönlichen Verlust und dem persönlichen Alleinbleiben als eine Art von Demütigung fast überall empfunden wird. Familienstand: ledig, verheiratet, geschieden, verwitwet, nicht Zutreffendes zu durchstreichen, ich kenne keine Frau, die das Wwe. als Ehrentitel empfände. Es scheint schon dem Überleben etwas Anrüchiges anzuhaften, etwas von üblem Lebenswillen und Lebenstrotz, zugleich auch etwas Verächtliches – sie hat ihren Mann verloren, wir haben unsere Männer noch, fahren zusammen ins Grüne, gehen zusammen durch die Straßen, das kommt doch nicht von ungefähr. Tatsächlich haftet jeder Witwe etwas von einer Gattenmörderin an. Weswegen sie denn auch, immer vorausgesetzt, daß sie keine eigene Arbeit, keinen eigenen Freundeskreis hat, gestraft wird mit Vernachlässigung, gnadenhaften Einladungen, aber es gibt, dank der höheren Lebenserwartung der Frauen, so viele Witwen, so viele Bruchstücke, mit denen man sich sein Wohnzimmer nicht voll setzen mag. Sie sind zudem selten ganz normal, vielmehr sonderbar, sprechen ununterbrochen von ihrem Verewigten, oder überhaupt nicht, sehen sich aber auch dann mit Gieraugen um, sagt doch etwas, sprecht über ihn, er kann doch für euch nicht ganz tot sein, wie oft hat er hier gesessen oder gestanden, die Hände in den Taschen, an eure Bücherwand gelehnt. Warum tut ihr so, als ob es ihn nie gegeben hätte, warum erkundigt Ihr euch nicht, wie ich alleine zurecht komme, ich komme niemals zurecht. Witwen und Verheiratete, das geht nicht zusammen, schon weil Witwen so etwas sind wie ein ewiges Memento mori, weil man ihnen allerhand böse Wünsche zutraut, sei nur nicht so stolz auf den Herren Gatten, eines Tages bleibst du auch allein. Die Witwen zuhause zu besuchen, ist auch lästig, ist unter Umständen das Zimmer des Mannes seit seinem Tod unverändert geblieben, kein Gegenstand verrückt, die angebissene Semmel, verstaubt nun, auf einem Tellerchen, Abdruck seiner Zähne, daneben der letzte ihm auf den Schreibtisch gestellte Blumenstrauß, Verdorrtes in grüngelbem, schleimigen Wasser, im Sofakissen eine kleine Kuhle, sein letzter Mittagsschlaf, pomadenglänzend, und die Schubladen noch alle voll mit seinem Kram. Oder auch ganz anders, die Schubladen leer, die Schränke leer, alles schon in der ersten Woche verschenkt oder verkauft, Großreinemachen, neue Tapeten, neue Möbelbezüge, was etwa noch gefunden wird, eine Brille, ein altes Taschenmesser, kommt in den Mülleimer, alle Gegenstände haben den Geruch des Todes angenommen, der muß aus dem Haus. Verrücktheiten so oder so, Unsicherheiten der Witwenschaft, in der man wie auf Eis geht und dazu noch im Nebel, in dem sich nichts mehr überblicken läßt und nichts von sich selber versteht. So daß den Witwen, selbst den vielfachen Müttern und Großmüttern nichts übrig bleibt als ein Schattendasein, so resolut sie sich auch gebärden mögen, so sehr manche von ihnen nach einigen Jahren das Selbstbestimmenkönnen genießen. Wunde schatten, tatkräftige Schatten, irrsinnige, irr-sinnende auf jeden Fall.”

aus: Marie-Louise Kaschnitz: Tage, Tage, Jahre. Aufzeichnungen. Frankfurt/Main: Insel 1968, S.58/59

Abb.: Gabriele Stötzer: Fleischsäule Europa, 1991, im Internet.

07/13

02/07/2013 (23:25) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Alter

“… An Gefühl für das Hexen- und Feenhafte ihres Zustandes fehlt es vor allem den alten Frauen nicht. Sie sehen sich in der Zukunft zwergenklein, leicht, zauberkräftig, mit einer Flüsterstimme, die über andere Gutes und Böses heraufbeschwören kann, aber ihre Weisheiten sind nur eine Mischung von Tiefsinn und Unsinn, die sie immer gern von sich gegeben hätten, aber erst jetzt von sich geben dürfen – für alle Demütigungen des Alters eine ausreichende Kompensation.”

aus: Marie-Louise Kaschnitz: Tage, Tage, Jahre. Aufzeichnungen. Frankfurt/Main: Insel 1968, S.36

Abb.: Joe David: Rainbow Memorial Drum, 1977. (Bei den kanadischen Westküstenindianern erschuf der Rabe die Welt und der Regenbogen steht für den Übergang vom Leben zum Tod).

07/13

02/07/2013 (23:05) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Paria

“Die Leute haben recht, wenn sie mich hassen, ich glaube nicht an den Endsieg, wünsche ihn nicht einmal, die Luftangriffe sind mir unangenehm, aber sie scheinen mir notwendig, weil sie unter Umständen den Krieg verkürzen. Die Leute, die in der Schlange sehen mir an, daß ich nicht an den Führer glaube, auch daß ich nicht schwer arbeiten kann, schon das lange Stehen macht mich krank. Sie sehen mir auch an, daß ich keine Beziehungen habe, nichts zum Tausch anbieten kann, was noch verachtenswürdiger als eine schlechte Gesinnung ist. Ich kann mich nicht vordrängen, nicht schimpfen, wenn andere sich vordrängen, dadurch mache ich mich am meisten verhaßt. Wie man da steht und weiter geht, einen halben Schritt in der Minute, und in den Trümmern blühen die Buschwindröschen, und man hat das Gefühl, daß man von all diesen zornigen, enttäuschten, feindseligen Menschen auch erschlagen werden könnte.”

aus: Marie Luise Kaschnitz: Orte. Suhrkamp 1977, S.53

06/13

25/06/2013 (23:58) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Ausdauer

“‘Ich kann nichts Großes arbeiten. Das ist vorbei: nur die Jugend plant so verwegen. Jetzt habe ich keine Ausdauer mehr. Ich bin – warum es verbergen? – ein Mensch der kurzen Augenblicke geworden, ich kann nicht durchhalten. Früher hatte ich mehr Kraft, jetzt ist sie weg. Ich kann nur reden: da trägt michs manchmal, da reißt mich etwas über mich fort. Aber stillsitzend arbeiten, immer allein, immer allein, das gelingt mir nicht mehr.'”

aus: Stefan Zweig: Verwirrung der Gefühle. In: Ders.: Verwirrung der Gefühle, drei Novellen, Leipzig: Insel 1927, S.208.

Abb.: Sister Corita: Rest, 1971, im Internet.

05/13

25/05/2013 (15:36) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Selbstbeherrschung

“… Ich sah unter Barock nach und fand Paul Fleming:


Was dich betrübt und labt, halt alles für erkoren,
Nimm dein Verhängnis an, laß alles unbereut

.
Und eh du förder gehst, so geh in dich zurücke.
Wer sein selbst Meister ist und sich beherrschen kann,
Dem ist die weite Welt und alles untertan.

Typisch deutsch, sagte Francesco. Erst wollt ihr euch selbst, dann gleich die ganze Welt beherrschen, und Karl … sagte, ‘untertan’ sei dasjenige deutsche Wort, das er am meisten hasse … Auf englisch, sagte er, könnte man das gar nicht sagen: ‘untertan’. Wir lasen in der Übersetzung nach, da stand: The man who is master of himself and can control himself has the whole world and what is in it at his feet.

Na bitte, sagte Francesco. Das ist der entscheidende Unterschied: Ob du die Welt beherrschen willst oder ob sie dir zu Füßen liegt. Ja aber, sagte ich, sich selbst beherrschen sei doch nicht tadelnswert! Eben doch! schrie Francesco. Eure Selbstunterdrückung bringt ja das ganze Unglück hervor! Und dein Verhängnis annehmen – das fehlte noch!”

aus: Christa Wolf: Die Stadt der Engel oder The Overcoat of Dr. Freud, Berlin: Suhrkamp 2010, S.156/157.

Abb.: Syagini Ratna Wulan: Catharsis, 2015, indoartnow, im Internet.

05/13

14/05/2013 (23:16) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Stasi

“… Aber was war das schleichende Gift, das du aus diesen Akten einatmetest und das dich so lähmte? Damals konntest du es nicht benennen. jetzt weiß ich: Es war die brutale Banalisierung eures Lebens auf diesen hunderten von Seiten. Die Gewöhnlichkeit, mit der diese Leute euer Leben ihrer Sichtweise anpaßten. Selbst wenn die Tatsachen gestimmt hätten, über die die Observanten berichteten und die die Führungsoffiziere von Zeit zu Zeit zusammenfaßten – was keineswegs immer der Fall war, sie mußten ja den Interessen und Erwartungen der Auftraggeber angepaßt werden -, selbst dann stimmte nach meinem Empfinden nichts. Wenn ich irgend etwas gelernt habe bei der Lektüre dieser Berichte, dann, was Sprache mit der Wirklichkeit anstellen kann. Es war die Sprache der Geheimdienste, der sich das wirkliche Leben entzog. Ein Insektensammler, der seine Objekte aufspießen will, muß sie vorher töten. Der Tunnelblick des Spitzels manipuliert sein Objekt unvermeidlicherweise, und mit seiner erbärmlichen Sprache besudelt er es. Ja, sagte ich zu Francesco, das war es, was ich damals empfand: Ich fühlte mich besudelt. …

So wäre es dir lieber gewesen, sagte Francesco, ihr hättet intelligente, womöglich feinfühlige Informanten auf eurer Spur gehabt?”

aus: Christa Wolf: Die Stadt der Engel oder The Overcoat of Dr. Freud, Berlin: Suhrkamp 2010, S.183/184.

Abb: Yannis Gaitis: Men in hats, im Internet.

05/13

14/05/2013 (23:03) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Mitgefühl

“Ich weiß noch, wie ich als Kind manchmal in meinem Bett lag, und mich fragte, wie ich die Nachrichten von dem Leid, das anderen Menschen andauernd zugefügt wurde, und die Angst vor eigenen Verletzungen ein ganzes Leben lang aushalten sollte. Da wußte ich noch nicht und hätte es nicht geglaubt, daß Mitgefühl sich abschwächen kann, wenn es übermäßig beansprucht wird. Daß es nicht in der gleichen Menge nachwächst, wie es ausgegeben wird. Daß man, ohne es zu wissen und zu wollen, Schutztechniken entwickelt gegen selbstzerstörerisches Mitgefühl.”

aus: Christa Wolf: Die Stadt der Engel oder The Overcoat of Dr. Freud, Berlin: Suhrkamp 2010, S.69.

05/13

13/05/2013 (9:58) Schlagworte: DE,Lesebuch ::

Staunen

“… Wie eben manchen Menschen Staunen unheimlich ist. Man soll sich nicht, besonders nicht, wenn man Gäste hat, in seiner eigenen Wohnung umsehen, als wäre sie einem todfremd, als könnten die Möbel jeden Augenblick Beine kriegen und die Wände Löcher.”

aus: Christa Wolf: Nachdenken über Christa T.. Neuwied/Berlin: Luchterhand 1969 (Orig.-Ausg. Halle 1968), S.178.

02/13

25/02/2013 (17:20) Schlagworte: DE,Lesebuch ::
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